Ein Beitrag zur Messe Nordpferd von unserer VFD-Expertin Dr. rer. nat. Renate Vanselow
Gräser können extrem wirksame Gifte enthalten. Pferde reagieren besonders empfindlich. Vergiftungen bei Rindern in den USA im Winter werden auf freigesetzte Gifte aus Fettdepots bei Gewichtsabnahme zurück geführt. Artenvielfalt verringert die Vergiftungsgefahr.
Gräser erhalten ihre Widerstandskraft, die sogenannte Resistenz, oft durch Pilz-Partner. Die Resistenz spielt für die Wirtschaftlichkeit des Nutzgrases und somit in der Pflanzenzüchtung eine herausragende Bedeutung. Die Pilze leben als Nützlinge oder auch als Parasiten völlig unsichtbar innerhalb des Grases zwischen den Pflanzenzellen. Die Widerstandskraft der Gras-Pilz-Gemeinschaft ist gebunden an rein natürliche, aber hochgradig giftige Wirkstoffe. Die äußerlich niemals sichtbaren nützlichen Pilzpartner gehören zur nahen Verwandtschaft der Mutterkornpilze und bilden entsprechende Gifte. Man bezeichnet diese Pilze als Endophyten. Endo heißt innerhalb und phytos heißt Pflanze. Ein Endophyt (http://de.wikipedia.org/wiki/Endophyt) ist also ein zumeist pilzlicher Mikroorganismus, der völlig unsichtbar innerhalb einer Pflanze lebt. Pferde reagieren auf die Gifte empfindlicher als Rinder, und diese empfindlicher als Schafe. Während die akute Vergiftung zwar spektakulär aber eher selten ist, sind sich die Fachleute einig, dass die schleichende chronische Vergiftung speziell in der Pferdehaltung weltweit ein – bisher vermutlich unterschätztes - Problem darstellt. Die Gifte sind in Spuren im Fettgewebe nachweisbar. Vergiftungen bei Rindern in den USA im Winter werden auf freigesetzte Gifte aus Fettdepots bei Gewichtsabnahme zurück geführt. Chronisch vergiftete Rinder in den USA zeigen typischerweise Schwerfuttrigkeit, Klauenrehe (Laminitis) und die Unfähigkeit im Frühjahr das Fell zu wechseln. Die gleiche Symptomatik beim Pferd wird in Europa als schwere Stoffwechselstörung (Equines Cushing Syndrom, ECS) diagnostiziert. Gemessene Giftgehalte in Dänemark lagen unerwartet hoch und lassen schwere Viehvergiftungen erwarten. Bei den potentiell giftigen Gräsern handelt es sich vor allem um unsere wichtigsten Wirtschaftsgräser aus dem Bereich Futterbau und Begrünung (Straßenränder, Trittrasen, Rennbahnen): Deutsches Weidelgras (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Weidelgras), Rohrschwingel (http://de.wikipedia.org/wiki/Festuca_arundinacea), Vielblütiges Weidelgras (http://de.wikipedia.org/wiki/Lolium_multiflorum) und Wiesenschwingel (http://de.wikipedia.org/wiki/Festuca_pratensis). Diese Gräser finden großflächigen Einsatz in der Landschaft. Endophytenfreie Graszuchten konnten im landwirtschaftlichen Einsatz in klimatisch ungünstigen Regionen in Übersee nicht überzeugen. Ein patentierter Endophyt in Zucht-Rohrschwingel mit die Resistenz förderndem Gift, das als nicht viehgiftig galt, führte in Australien zu tödlichen Pferdevergiftungen durch das equine Schwingel-Ödem. Intensive Beweidung und Nutzung, insbesondere Überweidung bei Dürre, fördert den Anteil giftiger Gräser im Bestand. Pflanzliche Halbparasiten, wie der von der Landwirtschaft traditionell bekämpfte Klappertopf (http://de.wikipedia.org/wiki/Klappertopf), die an Gräsern parasitieren, verringern den Anteil von mit Endophyten infizierten Gräsern, die bei der Abwehr von Stress giftig werden können. Artenvielfalt ist daher kein Luxus, sondern Voraussetzung für einen wichtigen, funktionstüchtigen, natürlichen Regelmechanismus. Möglicherweise ist der Intensivierung von Nutzpflanzen und ihres Einsatzes in Monokulturen eine natürliche Grenze gesetzt, ab der es für die Konsumenten durch die in der Pflanzenzucht und in der Landwirtschaft erwünschten, natürlichen Resistenzen giftig wird.
Weiter führende Links & Dokumente:
A) Infos aus dem VFDnet:
- Vergiftungen durch Gräser
- Indirekter Giftnachweis
- Gifte I: Ergotalkaloide
- Gifte II: Lolitreme
- Gifte III: Loline
- Weiterführende Literatur zu gräsern und Giften
- Kostenfreier Handzettel der VFD „Was tun bei Gräsergiftem?“ als download
- Atypische Weidemyopathie: Ahorn oder Gräsergifte?
- Jakobs-Kreuzkraut: Sündenbock Gifte in Gräsern?
B) Weitere Informationen finden Sie in meinen Veröffentlichungen zu diesem Thema:
- http://www.nul-online.de/Archiv/Archiv-Suche/Verlust-an-Biodiversitaet-uebersehene-pilzliche-Regulatoren,QUlEPTE5MjEyOTcmTUlEPTgyMDMx.html?UID=AC5FDED1E1856E349901108A69EF467C64AEB03F567CBF84 (Artikel frei zugänglich)
- http://www.neuebrehm.de/leseproben/89432112.pdf
(Leseprobe frei zugänglich) - https://www.thieme-connect.de/DOI/DOI?10.1055/s-0030-1250271 (tiermedizinischer Fachartikel, kostenpflichtig)
- http://www.fnverlag.de/shop/product_info.php/info/p951_Internationales-Symposium--Hufrehe-.html (Buchkapitel; Buch kostenpflichtig)
- Mehr Infos zu Giften in Gräsern:
- Pyrrolizidin-Alkaloide (das sind die Gifte, die das Jakobs-Kreuzkraut so giftig machen) in Weidelgräsern:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lolch - Giftige Weidelgrasarten, die heute in Deutschland als ausgestorben gelten, aber in der Graszucht (gewünschte Resistenzen) genutzt werden:
- http://de.wikipedia.org/wiki/Taumel-Lolch
- http://de.wikipedia.org/wiki/Lolium_remotum
- Gutachten für das Umweltbundesamt:
http://www.gfn-umwelt.de/publikation/2103.pdf