Wissenschaftler haben die Anzahl der Arten auf Weideflächen mit denen auf reinen Mähwiesen verglichen und kamen zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass diese durch Beweidung augenscheinlich stark zunimmt und durch reine Mähnutzung eher abnimmt.
Die Erklärung dieses Phänomens ist einfach. Seit gut 10.000 Jahren gehören Grasland und Beweidung untrennbar zusammen. Ohne die großen Huftierherden hätte es die Fraß-Savanne in Mitteleuropa nicht gegeben, Deutschland wäre von einem geschlossenen Urwald bedeckt worden. Grasland und Weidetiere haben sich gemeinsam als komplexes Ökosystem über diesen Zeitraum entwickelt. Trittschäden von Weidetieren gehören zu einem funktionierenden Grasland-Ökosystem einfach dazu. Ohne dieses „Naturverwundung“ der Grasnarbe kommt es zur Förderung bestimmten Gräser, wie wir sie auf reinen Mähwiesen finden: eine erstaunlich artenarme Sache.
Von den geschätzt 1,5 Mio. Pferden in Deutschland kommt der sehr überwiegende Teil zumindest zeitweilig auf die Weide. Von den rd. 12,7 Mio. Rindern sind es nur etwa 4,4 Mio dazu kommen noch etwa 1,5 Mio. Schafe.
ABER: Es macht einen erheblichen Unterschied aus, ob Pferde oder andere Tiere auf der Weide stehen. Denn bei Kühen und Schafen ist der Fleisch- und Milchertrag abhängig von Futter mit hohem Zucker- und Eiweißgehalt. Deshalb müssen deren Weiden auch kräftig gedüngt werden. Bei Pferden ist es eher umgekehrt. Bei ihnen haben ernährungsbedingte Krankheiten in den letzten 20 Jahren rasant zugenommen, weil ihnen die modernen Hochzuckergräser massiv schaden. Nur der Pferdehalter hat also ein Interesse an möglichst magerem, ungedüngtem Grünland, nur hier bleibt sein Pferd gesund. Und nur hier kann sich Artenvielfalt optimal entwickeln, denn reichlich Stickstoff durch chemischen Dünger oder Gülle vertreibt viele Kräuter und andere Pflanzen auf der artenreichen Weide. Früh geschnittene Gräser gelangen nicht zur Blüte und bieten damit keine Nahrung für Insekten & C0. Ungedüngte Heuwiesen mit später Mahd braucht der Pferdebestand natürlich zusätzlich, damit er über die vegetationsarme Winterzeit kommt.
Pferdehaltung gilt – anders als Pferdezucht – fast nie als Landwirtschaft, es werden ja üblicherweise keine Nahrungsmittel erzeugt. Und Naturschützern sind die wenigen Pferdehaltungen zu Recht ein Dorn im Auge, wo durch gedankenlose „Offenmatschhaltung“ vor allem über den Winter mit viel zu vielen Tieren auf viel zu kleiner Fläche artenreiches Dauergrünland gründlich vernichtet wird. Dabei geht es mit intelligenten Haltungssystemen, Umtriebsweiden, Paddocktrails und manch anderer cleverer Idee durchaus so, dass am Ende die gut gemanagte Pferdeweide in Sachen Artenvielfalt jede andere Grünlandnutzung drastisch übertrifft.
Äußerst problematisch sind in diesem Zusammenhang die baurechtlichen Rahmenbedingungen, denn Zäune und Unterstände zum Witterungsschutz für Hobbytierhaltungen werden derzeit bundesweit zumeist nur geduldet und können selten bis nie genehmigt werden. Eine tierschutzgerechte, ganzjährige Pferdehaltung auf der Weide ist so immer von Duldung abhängig.
Weit über 90% der Pferdenutzung findet außerhalb des publikumswirksamen Turniersports statt. Von daher gehört das Reiten und Fahren eindeutig zu den umweltfreundlichen Natursportarten, wenn mit ein wenig Umsicht und Kenntnis betrieben. Auch hier stoßen die Möglichkeiten in einigen Bundesländern schnell an Grenzen, während gerade die Bundesländern mit sehr liberalen Reitmöglichkeiten seit Jahrzehnten vorleben, wie konfliktarm die Nutzung von Pferden in Wald und Feld sein kann.
Vor diesem Hintergrund spielt die Umgestaltung der Rahmenbedingungen für private, nicht an Ertragsmaximierung orientierter Tierhaltung – für Pferdehaltung im Außenbereich im Besonderen - eine eminent wichtige Rolle bei der Frage, wie wir in Deutschland neben der immer mehr die Artenvielfalt bedrohenden Intensiv-Landwirtschaft Inseln und Rückzugsgebiete für Artenvielfalt erhalten. Die nach dem Subsidiaritätsprinzip sehr überwiegend von Privatmenschen aus Passion mit großem persönlichen Einsatz geschaffen und betrieben werden.
Birgit Hüsing und H.M. Pilartz, für das VFD-Bundespräsidium
Zum Nachlesen:
Herbert Nickel Wiese_oder_Weide PDF
Jedicke_Weidelandschaften PDF
Leseprobe_Artenvielfalt_2.Auflage PDF
BUND aktiv-werden--Beweidungsprojekte
https://www.landwirtschaft-bw.info/pb/,Lde/3650826_3651464_2305950_2316374