Ein Leben mit (Maul)Tieren ist nicht planbar!
Es kommt meistens anders, aber es ist gut einen Plan zu haben!

Was ein Jahr geht zu Ende. Zeit für eine Reflexion.
Was hatte ich mir von diesem Jahr alles erwartet, und dann schrieb das Leben die Geschichte!

Holger SuelVor 16 Jahren übernahm ich MEIN MAULTIER Rafaela und eine großartige Geschichte nahm ihren Lauf.
Vom ersten Gedanken an ein Maultier im September bis zur Übernahme im Oktober 2004 vergingen gerade einmal 5 Wochen. Es waren intensive Wochen der Recherche und dann blieb nur die Erkenntnis, dass allein ich es bin der dem Tier gerecht werden muss.
Eine Erkenntnis aus der Zeit, es gab keine gescheite Literatur über den Umgang mit Mulis.
Und dieses Jahr war es wiederholt Thema, und ich kann immer noch kein Mulibuch empfehlen.

Nach der Übernahme folgten 3 intensive Jahre des Zusammenwachsens, aus der anfänglichen Verantwortung wurde schnell Zuneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht, wie ich zu behaupten wage. Wir wurden ein harmonisches und funktionierendes Team. Tägliche gemeinsame Aktivitäten hatten dies begünstigt.

Dann aber brachte eine berufliche Veränderung es mit sich, dass ich nur noch an den Wochenenden und im Urlaub Zeit hatte.
6 Jahre ging das so, und doch machten wir unsere Fortschritte und nahmen an vielen tollen Veranstaltungen teil.
Eine weitere berufliche Veränderung verschärfte die Situation, und ich war nur noch alle 2 Wochen zu Hause, wobei absehbar war, dass dies mit dem bevorstehenden Ruhestand nur 6 Jahren dauern würde.
Die gemeinsame Zeit nutzten wir intensiv, und in der Zeit fern der Heimat lernte ich viele Mulis und viele interessante Menschen kennen.
Mir war und ist es ein Anliegen mich für die Mulis einzusetzen und ich entwickelte für diese Zeit Pläne. Anfangs war es ein Deutschlandritt, den ich dieses Jahr machen wollte. Meine gesundheitliche Situation ließ mich aber bald davon Abstand nehmen. Sogar meine Teilnahme am internationalen Säumertreffen 2019 am Spitzingsee musste ich absagen.
So plante ich für 2020, meinem ersten Jahr im Ruhestand, eine Deutschlandtour. Ich wollte die vielen Bekannte und Freunde besuchen und Wanderritte in den vielen attraktiven Regionen Deutschlands unternehmen.

Es sollte dieses Jahr sein, denn mir war bewusst, dass Rafaela 26 Jahre alt ist und auch für ein Muli die Uhr tickt. So trainierten wir ab Oktober und steigerten uns langsam. Es war eine Freude die Zeit mit ihr intensiv genießen zu können. Aber die wahren Geschichten schreibt das Leben.
Im Januar bereitete ich einen Ritt vor, wozu auch ein Bewegen an der Hand als kleiner Check gehört. Rafaela ging lahm. Erste Diagnose, Fesselträger hinten Links durchtrittig und Zweifel daran, ob sie nochmal reitbar wird. Nach erster Ernüchterung konsultierte ich einen zweiten Tierarzt, der, unterstützt von Röntgendiagnostik, einen Arthrosebeginn im rechten Knie feststellte.
Wanderritte 2020 waren keine reelle Erwartung mehr. Erst einmal war Schonung angesagt, und mir wurde die Entscheidung abgenommen, wann und was für ein weiteres Muli ich übernehme.
Und dann für mich ein Klassiker,
Verbindungsaufnahme mit dem Einsatz- und Ausbildungszentrum 230 (EAZ 230) in Bad Reichenhall, von dem ich wusste, dass dort ein Muliwallach nicht eingesetzt werden konnte. Er war noch dort und sie waren bereit ihn mir zu übergeben.

Das Risiko dort ein Tier zu übernehmen ist „gering“, denn das EAZ 230 fühlt sich auch nach Übergabe weiter für die Tiere verantwortlich.
Alle Tiere sind nicht für den Verzehr vorgesehen, also kein Tier geht zum Schlachter.
Alle Tiere bekommen ihren Altenteil, und Tiere, die einen Halter gefunden haben, werden auch zurückgenommen, wenn der Halter die Tiere nicht händeln oder versorgen kann. Es gibt keine Tierschutzfälle, kein Muli aus dem EAZ  230 muss zum „Wanderpokal“ werden.

Und so kam es, dass Ende Februar, wieder nach 5 Wochen, ein Maultier, Freddy, seinen Weg zu mir fand.
Meine größte Sorge war immer, wie werde ich mich einmal mit einem zweiten Maultier emotionell zwischen diesem und Rafaela positionieren?
Es ist super!!

Holger Suel FreddyRafaela und Freddy haben jeder seinen Platz in meinem Herzen.

Rafaela erholte sich unter der Schonung mit moderater Bewegung und Freddy bekam den Neustart, für den ich immer plädiere. Kleinste Schritte führen mich von einer zur anderen Aufgabe. Mit großer Freude erlebte ich auch bei ihm bald, dass er bei mir sein möchte.

Ein Schlüsselerlebnis vom Anfang!
Wir sind seit 2016 in diesem Stall. Sie lernten Rafaela als kooperatives Verlasstier kennen, sie ist ein Liebling der Stallbesitzerin, und Rafaela wird auch dort ihr Altenteil haben sollte ich sie einmal nicht mehr versorgen können.
Nun aber war da ein Muli voller Unsicherheit, das nicht in der Lage war am Putzplatz ruhig zu stehen.
Ich binde grundsätzlich nicht an, wenn es nicht sein muss, und zum Putzen muss es nicht sein.
Die Stallbesitzerin bat mich aber ihn „besser“ anzubinden.
Ich antwortete ihr, dass sie Rafaela als Verlasstier kennengelernt hätte, und fragte sie, ob sie möchte dass auch Freddy so ein Verlasstier werde. Das wollte sie, und so habe ich sie gebeten mich meinen Weg gehen zu lassen.
Sie bekam ihr Verlasstier am Putzplatz und ist nun bereit mich beim Starten von Freddy zu unterstützen.

Ein Unfall im Juli hielt mich dann 3 Monate von den Tieren fern, was Rafaela Schonung brachte und auch das bisher Erarbeitete festigte sich bei Freddy. Seit Oktober sind wir wieder im Training und beide machen ihre Fortschritte.
Ziel ist es Freddy zu starten, beide als Handpferde auszubilden, bei Ritten beide mitzunehmen, und sie entsprechend ihres Leistungsvermögens abwechselnd zu reiten. So wird Freddy zum Reittier für meine Wanderritte und Rafaela wir ihren Möglichkeiten entsprechend immer dabei sein.

Resümee für das Jahr 2020:
Es ist wichtig sich frühzeitig Gedanken über das Alter seines Tiers zu machen, auch weil Mulis eine höhere Lebenserwartung haben. Je früher man sich damit auseinandersetzt, umso handlungsfähiger ist man.
Auch wir werden nicht jünger, und so sollten wir mit der Übernahme der Verantwortung für ein Tier dessen Versorgung organisieren, sollten wir es nicht mehr können.
Dieser Appell ist mir für die Esel und Mulis besonders wichtig, denn diese sind nicht so einfach unterzubringen. Da sollten Organisationen wie die Noteselhilfe die letzte Lösung sein.

In den letzten Jahren hat das Interesse an Maultieren offensichtlich sehr zugenommen. Das ruft leider auch Vermittler und Händler auf den Plan, die Mulis mit tollen Eigenschaften anpreisen.
Diese Eigenschaften haben nur eine kurze Halbwertszeit.
Nicht selten werden Mulis zu früh abgesetzt und bekommen nicht die Chance einer natürlichen Sozialisierung. Das wirkt sich auf ihr Verhalten aus und stellt den Halter vor eine besondere Herausforderung.
Sooft ich Mulis kennenlerne, deren Halter Fragen haben, treffe ich auf Tiere die ihre Eigenverantwortung leben und Vertrauen finden müssen. Wartet man zulange, dann ist nicht selten aus Unsicherheit ein erlerntes Verhalten geworden. Daher appelliere ich dafür nicht zu lange zu warten und dafür sich frühzeitig Hilfe zu holen.
Ich bin nahezu immer ansprechbar, und wenn ich es einrichten kann, dann mache ich auch „Hausbesuche“.
An der Vermittlung von Tieren beteilige ich mich nicht!
Die Tiere spiegeln ihre Besitzer, ihre Situation, und darauf habe ich keinen Einfluss.

Anders als bei Eseln gibt es noch immer nicht „DAS“ Mulibuch. Zu groß ist die Vielfallt der Mulis durch die Anpaarung von Esel und Pferd. Nach wie vor sehe ich die persönliche Verantwortung jedes einzelnen auf den Grundlagen des Horsemanship, dem Verständnis für die nativen Bedürfnisse der Equiden. Horsemanship ist keine Technik, keine Reitweise. Viel mehr umfasst es das Verständnis für die Bedürfnisse und das Sozial- sowie Lernverhalten der Equiden. Dazu gibt es bereits gute Literatur.

Als Mitglied des AK Esel und Mulis der VFD und als Sprecher der Sektion Maultiere unserer Partnerorganisation, der Interessengemeinschaft der Esel- und Mulifreunde Deutschland e.V. bin ich für Esel, besonders aber für Mulis bundesweit aktiv. Dazu gehören Vorträge und auch die Präsentation bei Messen und Veranstaltungen.

Ich wünsche allen ein Gutes Jahr 2021 das uns vor viele Herausforderungen stellt.
Im Mittelpunkt steht dabei immer das Wohl und die Sicherheit der uns anvertrauten Tiere und von uns.

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