21.9.2012. Pat ruft an, Sie komme später. Warum, will ich wissen. Weil Pachlavan ab gedüst ist, nachdem sein Kraftfutter alle war. Statt zurück zur Weide läuft er auf die Straße in Heuweiler und verschwindet. Pat sucht ihn überall, aber er bleibt verschollen. Ein Nachbar erklärt später, er sei vorschriftsmäßig und ruhig die Fahrstraße hochgetrabt. Mit einer Stunde Verspätung kommt Pat in den Freiburger Morgenstau und so verliert sie eine weitere Stunde, bevor sie dann endlich um 10.00 Uhr bei mir in Schleitheim im Kanton Schaffhausen eintrifft. 4 Stunden dauert die Fahrt bis wir in Davos sind und unser Abenteuer endlich beginnen kann. Jetzt, 4 Stunden später, sitzen wir im Restaurant und genießen Älpler Makronen und Appenzeller Weißbier. Wir sind im Reiterstübchen einquartiert. Fast 5 Sterne-mäßig. Andrea und Hans vom Restaurant haben uns spontan und herzlich aufgenommen und so sind unsere Pferde gut versorgt und wir liegen im Reiterstübchen, Pat auf einem Bett und ich auf einer Matratze am Boden. Während Pat schon schläft werde ich den Tag ab Ankunft Davos nochmal Revue passieren lassen. Wir haben das Auto und den Hänger auf der Westernranch in der Serzigerstrasse geparkt. Kaum ausgeladen und angebunden, bedrängt mein Brauner den Pach so sehr, dass dieser den Strick zerreißt mit dem er angebunden ist. Fängt ja gut an. Wir satteln auf und müssen Pach"s Packtaschen-Bauchgurt verlängern (der Junge hat offensichtlich zugelegt) und Pat muss ihr Zeugs noch ordentlich verstauen. Cool will unbedingt zu den Pferden auf der anderen Straßenseite und hampelt die ganze Zeit rum. Endlich sind wir soweit und wir führen die Pferde die Straße hinauf. Cool geht plötzlich langsamer. Der Sattel hängt in bedenklicher Schieflage nach links. Ich hatte das Nachgurten vergessen und wir rücken ihn zu zweit wieder gerade und klettern den steilen Waldweg hinauf. Oben stellt Pat fest, dass sie ihren Hut verloren hat. Während sie umkehrt nutze ich die Zeit und sattle nochmals komplett auf. Wir reiten einen Golfplatz entlang und der Pfad wird zuerst schmal und führt nach ein paar steilen Serpentinen auf einen breiten Forstweg. Unter uns liegt, von der Sonne gewärmt und in die grüne Landschaft eingebettet, Davos. Cool ist sichtlich irritiert. Alles scheint ihn zu stören, was um ihn herum geschieht. Eine Kuhtränke ist so gefährlich, dass er umdrehen muss und immer wieder versucht er sich hinter Pach zu verstecken. Dass er eigenständig neben Pach in gleichmäßigem Tempo geht, daran müssen wir noch arbeiten.


Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012


Gegen 4 Uhr wird klar, dass wir heute nicht mehr über den Pass gehen und ich überlege, wo wir Futter für die Pferde bekommen. Wir folgen dem Bachlauf dem Pass entgegen und auf der anderen Talseite sehe ich eine Gaststätte, zu der wir rüber reiten, um die Telefonnummer der Dürrbodenhütte auf dem Weg zum Pass zu erfragen. Leider gibt es kein Heu oben auf der Hütte und so beschließen wir gleich hier nach Heu und Unterkunft zu fragen.

2. Tag

Um kurz vor 8 sitzen wir am Frühstück, die Pferde angebunden an der Futtertraufe der hiesigen Kutschenpferde. Es ist noch recht frisch, aber sobald der Wind sich legt steigt die Temperatur um ein paar Grad. Wir reiten das Tal hoch dem Dürrboden entgegen. Ab hier müssen wir die Pferde hinauf zum Pass führen. Pat ist allerdings der Meinung, dass der Pach noch allemal kann, was die Kirgiesenpferde konnten und bleibt eine ganze Weile sitzen. Auf schmalen Pfaden geht es mal steil, mal eben dahin, bis wir zur Furrga (Passhöhe) und den Seen kommen. Hier ist eine Hütte und wir genehmigen uns was zu trinken. Futter für die beiden Pferde gibt’s kaum, also nehmen wir den Abstieg unter die Hufe. Zuerst erwischen wir den falschen Pfad, weil der besser markiert ist. Wir merken es erst, als wir vor einer Geröllhalde stehen, die auf der Karte nicht eingezeichnet ist. Wir steigen quer über den Hang ab und finden unten den richtigen Weg.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

Wir folgen diesem durch einige steile Geröllwege in denen auch Bachwasser fließt. Cool macht mehrfach einfach einen Sprung über Felsen, statt mühsam drüber zu klettern. Bei einem solchen Sprung fliegt die Vordertasche mit den Hufschuhen vom Horn und auch die Sicherung reißt. Und es dauert eine halbe Stunde ehe ich es bemerke. Ich gehe also zurück, unterwegs fällt mir ein, dass Pat ja Fotos gemacht hat. Darauf muss ja zu sehen sein, ab wann die Tasche fehlt. Also wieder zurück und wir schauen die Bilder gemeinsam an. Tatsächlich ist klar erkennbar, wo die Tasche noch dran war. Mit Uhrzeit. Pat reitet mit Pach im Galopp zurück und nach etwa 4 km findet sie dann die Tasche.

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Im Trab kommt sie wieder zurück. Erleichtert satteln wir wieder auf und reiten parallel zur Flüela -Strasse Richtung Susch. Kurz vor dem Kraftwerk ist die Straße gesperrt und die Brücke, die wir vorfinden, macht nicht eben den sichersten Eindruck. Wir furten also den Fluss ein weiteres Mal und klettern auf der anderen Seite quer durch Gebüsch zur Straße hoch. Hier folgen wir dem Teer die restlichen km die Passstraße hinunter und kommen bald nach Susch und Lavin, wo wir bei einem Bauern kennen, bei dem wir schlafen und die Pferde unterbringen können. Leider ist er nicht da und es dauert eine Weile bis er von seiner Alp zurück kommt. Aber anstandslos bekommen wir unser Quartier und Futter.

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3. Tag

Es ist erheblich wärmer heute Nacht und als wir um 7 von unseren Gastgebern verabschieden, nieselt es leicht. Wir reiten nach Ardez vor und kaufen ein und genehmigen uns Frühstück im Kaffee. Nach einer kurzen Fresspause für die Pferde steigen wir auf und reiten hinauf ins Vale Mala. Der Weg ist leicht und die Pferde laufen gut voran. Wir kommen an einer historischen Taberne vorbei und später reiten wir über eine Brücke aus der Römerzeit. Pach braucht ab und an etwas Motivationshilfe und auch Cool spielt noch den Flegel, der die Sekunde, in der man sich nicht auf ihn konzentriert, auf Abwege geht. Wir machen auf 2000 m Höhe Pause und lassen die Pferde grasen, während wir vor dem Passaufstieg unseren Satteltaschen Lunch genießen. Der Fahrweg hört auf und wir müssen über den Bach um zum Pfad zum Föhljoch zu gelangen. Der Weg führt auf der linken Talseite hoch und schwenkt dann nach Nordnordwesten auf ein riesiges Geröllfeld zu. Nun sind wir Geröllfelder gewohnt, aber hier wird auf Grund eines kürzlichen Steinlawinen Abgangs doch erheblich mehr geboten, als uns lieb ist. Ich klettere hinauf, um zu klären, ob der verschüttete Weg passierbar ist, aber die wackeligen Felsbrocken von 1/4 bis 3 m Größe sind nicht pferdegerecht.

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Wir müssen also links vom Geröllfeld steil die Grasnarbe hoch, um so etwa 200 hm zu gewinnen. Die Pferde kämpfen sich hoch und wir haben Mühe das Tempo zu halten und die Richtung zu kontrollieren. Ich habe dabei Pach übernommen und Pat lässt Cool einfach frei hinter her steigen. Immer wieder muss ich das nächste Teilstück hinauf oder hinunter klettern, um zu sehen, wo die Pferde durch können. So gehen etwa 2h ins Land um 15 m Lawine zu umgehen. Letztendlich bringen wir die Beiden nur mit ein paar Kratzern auf den Passweg zurück und ich führe Cool, der sich wie Pach bravourös geschlagen hat, die restlichen 200 Hm den Pass hinauf. Inzwischen hat es leicht zu Regnen begonnen und Nebel umhüllt den Pass der gleichzeitig die Grenze zu Austria bildet. Der Abstieg auf der Oesterreichischen Seite ist einfach und Cool klettert Barhuf problemlos hinunter. Wir müssen durch ein paar Bäche hindurch und in einem umreiten wir eine kritische Passage des Weges. Nach etwas über einer Stunde kommen wir zur Berg-Hütte, wo wir darum bitten, dass man uns unten im Tal einen Stall organisieren möge. Zwei Stunden später erreichen wir müde und abgekämpft Galltuer. Die Pferde werden auf dem Birkenhof untergestellt. Die Tochter des Hoteliers besorgt uns Pizza, die wir im Hotel, in dem wir Schlafen werden, vertilgen. Ein spannender und anstrengender Tag geht zu Ende. Wir sind froh heil rüber gekommen zu sein.

4. Tag

Völlig ausgetrocknet bin ich in der Früh aufgestanden, aber es ist 4 Uhr und ausnahmsweise hab ich keine Pferde zu füttern, so dass ich mich wieder hinlegte, um dann um halb sieben wieder auf zu stehen. Um 7 sollte es Frühstück geben. Aber es dehnt sich und so kommen wir erst um 9 Uhr los. Auf Wiesenwegen geht es der Kind entlang Richtung Ischgl und dann auf Teer- und später Schotterpisten zur Heidelberghütte hoch. Wir lassen die Pferde grasen und genießen eine Suppe mit Leberknödel. Der anschließende Aufstieg zum 2600 m hohen Fimber Pass ist sehr gut zu machen und die Pferde laufen auf dem schmalen Pfad flott voran. Wie gewohnt hatte Pat den Schweif von Pach in der einen und den Zügel in der anderen Hand, während sie sich den Berg hoch ziehen ließ. Cool folgte ihr und ich ließ mich in gleicher Manier von ihm ziehen. Wir genießen die Aussicht vom Pass Der Abstieg ins Unterengadin nach Sur En war wunderschön, doch zieht es sich lange dahin bis wir endlich in Ramosch und auf dem Weg zum Camping in Sur En sind.

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Das Heu schmeckt den Herren nicht wirklich und wir bekommen eine ältere Sorte. Dieses scheint zu munden. Wir essen im Camping Restaurant und klönen mit den Pferdebesitzern über Hufschuhe und das Wanderreiten. Um 22 Uhr liegen wir endlich auf unserem Nachtlager im Heu, und hören den Pferden beim Mampfen zu.

5. Tag

In der Frühe müssen wir Pach vordere Beschläge erneuern. Die Duplos sind in zwanzig Minuten drauf und um 8.15 gibt"s Frühstück im Camping Restaurant. Die Val d" Uina ist eine tiefe Schlucht in der 1939-1943 ein Fußweg mit Galerien in den Fels gehauen wurde. Wir sind die Schlucht vor ein paar Jahren schon mal ohne Pferde gegangen, deshalb wussten wir was uns erwartete. Der Aufstieg, etwa 10 km auf einer Forststraße, führten wir die Pferde hinauf. Auf einem ca. 1m breiten Felspfad geht es der linken Schluchtwand entlang. Wir furten einen Bach über den ein Holzbrett führt.

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50 m unter uns tost die Uine. Immer wieder müssen wir die Pferde durch kurze Tunnel führen und ab und zu kitzelt der Weg etwas die Nerven, für unsere trainierten Pferde ist jedoch keine der Passagen wirklich kritisch. Der Aufstieg in der Galerie ist etwa 2 – 3 km lang, so dass wir nach 30 min oben angekommen sind. Cool geht den Weg barhuf ohne Probleme, aber er drängelt ab und zu etwas, was die Anspannung nicht unbedingt mindert. Endlich sind wir durch. Hier oben weht ein eisiger Wind und es regnet dünne Bindfäden. In wenigen Minuten sind wir durchnässt. Wir installieren Regenschutz und die Pferde drehen immer wieder ihr Hinterteil in den Wind. Der Wind treibt mir die Regentropfen ins Gesicht, meine Brille hat leider keine Scheibenwischer, so dass nicht nur der dichte Nebel die Sicht behindert. Eine Stunde später sind wir auf der Sesvenna-Hütte und lassen die Pferde in der Umzäunung grasen. Nach einer wärmenden Suppe beschließen wir im nächsten Dorf einen Stall für die Pferde zu suchen. Beim ersten Bauern haben wir kein Glück, aber das zweite Gasthaus nimmt sich der Sache an und wir bekommen ein Zimmer mit angeschlossenem Kuhstall und Heizungsraum, so dass unsere Pferde und unsere Sachen und auch wir trocknen können. Herrliches Heu und ein ausgiebiges Abendessen tun ihr Uebriges.

6. Tag

Heute lassen wir es ruhig angehen und gönnen den Pferde einen halben Pausentag. Nach einem ausgiebigen Frühstück verabschieden wir uns von der Hotelfrau. Der Sohn der Vermieterin darf sich noch auf beide Pferde setzen, dann satteln wir auf und führen die Pferde nach Taufers hinunter. Während es in der Früh noch klar war, zieht der Himmel jetzt wieder zu und dichte Nebel- und Regenwolken hängen drohend über unseren Köpfen. Die lange Pause im trockenen Kuhstall hat den beiden gut getan und zügig marschieren wir den Forstweg ins Tal hinunter. Unten in Taufers klärt der Himmel über dem Münstertal auf und wir schöpfen wieder Hoffnung, dem tristen Grau entfliehen zu können. Ein neuer (noch nicht geteerter) Weg führt dem Rombach entlang, wo wir die Pferde grasen lassen. Eine Stunde später sind wir auf Isidors Hof und die Pferde können den Nachmittag im Freien genießen.

7. Tag

Cool und Pach haben die Nacht neben 5 Mastkälbern verbracht, was ihren Appetit angeregt haben muss, denn in der Früh war der Berg Heu bis zum letzten Krumen vertilgt. Sie brummelten mir entgegen, als ich Wasser und Heu brachte und wandten sich endtäuscht vom Wasser-Eimer dem Heu zu. Später brachte Pat das Kraftfutter und wir genossen unser Frühstück. Gemäß Plan hätten wir zum Piz Rosa hinauf und dann zum Stelvio hinunter und über den Forchetta di Forcola zum Val Fraele absteigen sollen. Das Wetter war jedoch wenig begeisternd und wir wollten sicher sein, eine geschützte Bleibe für unsere 4-Beiner zu finden. Deshalb entschieden wir, den einfacheren Weg übers Val Mora zu nehmen. Wir folgten dem Rombach nach Sta Maria und dann ging"s in den Wald ins Tal hinauf. Unterwegs zwang uns das Wetter zur vollen Montur, heftige Sturmböen ließen die Pferde wanken und beide liefen wie die Staubsauger den Berg hoch, um sich vor dem Regen zu schützen. Nach der ersten Malga kamen plötzlich eine Herde Fribis auf uns zu und da ich Cool der Pat übergeben hatte, um mich ziehen zu lassen, war Pat plötzlich ziemlich beschäftigt, beide Pferde davon zu überzeugen, dass man weiter gehen kann, ohne mit jedem Wallach die Adressen getauscht und mit jeder Stute geschäkert zu haben. Zum Glück können wir sie bald abhängen, denn die Gruppe ist sehr gut genährt. Nur eine Stute kann unser Tempo halten und während wir kurz die Regenmontur verstauen, wiehert sie zweimal und sofort kommt das restliche Dutzend angaloppiert. Sie überholen uns und traben vor uns am linken Wegrand die Strasse hoch, bis das obere Tor sie endgültig zu Stehen bringt. Zum Glück überholt uns gerade ein Jeep. Dieser muss vor dem Tor anhalten und der Beifahrer vertreibt die Pferde, um das Tor zu öffnen und die Durchfahrt zu ermöglichen. Die Herde hinter uns lassend, traben wir auf schottrigen Wegen zur Alp Mora hinauf. Es klärt auf und für ein paar Minuten genießen wir den Sonnenschein.


Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

Wir verlassen den Pfad der zum Ofenpass hinauf führt. Unten am Fluss lassen wir die Pferde grasen, bevor wir dem Singletrail ins Val Fraele folgen. Severin vom San Giuseppe ist sogar auf seinem Refiugio. Allerdings ist er mit einer Ladung Holz nach Sondrio unterwegs. Für uns heißt das, wie reiten noch 10 km weiter ins Val di Dentro hinunter. Dort finden wir dann auch den Bauern Ricco, der uns von Severin empfohlen wurde, bei dem wir die Pferde unterstellen und versorgen und wo wir Abendessen und zwei Betten zur Verfügung gestellt kriegen. Auch hier stellt sich wieder heraus: es findet sich immer eine Lösung und meist sind es die einfachen Leute die großzügig helfen.

8. Tag

Der Tag schaut grau und trüb aus der Wäsche. Die Pferde haben ihren Teil vom Heu durch die Kuhfressständer hindurch gefressen. Nach einer Tasse Kaffee verabschieden wir uns von Ricco und seiner Familie und suchen den Weg hinunter ins Tal.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012
























Wie kommen durch Val di Dentro und reiten die Teerstraße hinauf. Unterwegs kaufen wir kurz ein und bald befinden wir uns auf einer geteerten Straße, die zum Pass da Val Viola hinauf führt. Im Schritt und Trab gewinnen wir an Höhe und bei einem geschlossenen Refugio wird die Straße zum Fahrweg. Das Wetter lichtet sich und wir sehen sogar was von der Umgebung. Am Refugio Viola treffen wir auf eine Gruppe Hafis, die uns freudig begrüßen. Sie begleiten uns ein Stück des Weges, später gelingt es uns, sie mit einem Tor auf einer Brücke am mitkommen zu hindern. Auf einem alten Römerweg geht"s passwärts und wir kommen an eine Abzweigung, die für Mountainbikes ausgeschildert ist. Ich frage mich was es damit auf sich hat und entscheide spontan, diesen u. U. leichteren Weg zu nehmen. Unterwegs treffen wir zwei Wanderinnen, diese bekräftigen meine Entscheidung und wir klettern durch Wiesenwege hinunter. Krüppelfichten und kleine Seen Säumen unseren Weg. Der Weg verläuft auf der Höhe und immer wieder müssen wir einen Bergrücken überwinden und an Höhe gewinnen. Nach einem besonders heftigen Aufstieg mit fast 300 hm reiten wir an einem Hochmoor entlang und kommen endlich wieder auf eine Fahrstraße. Auf einer riesigen Weide tummeln sich Appis und später treffen wir sie noch einmal am unteren Ende der Weide. Der auf dem GPS erkennbare Weg war in Realität nicht vorhanden, um die km des Fahrweges zu kürzen stiegen wir trotzdem über die Weide ab. Pat stürzte und schürfte sich ihr Schienbein auf und ihre Laune wurde dadurch nicht besser. Der Weg nach Poschiavo und nach Cantone zog sich elendiglich und wir alle vier waren müde. Nach 56 km erreichten wir endlich den Hof in Cantone, wo die Kinder uns erwarteten und der Bauer alles für uns vorbereitet hatte. Er stellte uns sein Auto zur Verfügung, damit wir im Ort Abendessen konnten. Die Pferde erhielten einen großen Berg Heu und wir machten es uns im herrlich nach Minze duftenden Heu gemütlich

9. Tag

Das Heu ist fast vollständig weg als ich am Morgen nach den Pferden schaue. Ich muss einen Hufschuh richten, der gestern beim Abstieg kaputt gegangen ist. Momo der Bauer bietet an, dass wir die Pferde ein Stück den Berg hinauf fahren könnten, damit der Tag heute nicht wieder so lang würde. Cool berücksichtigend, der etwas steif zu gehen scheint, willigen wir ein. Wir stellen die Beiden voll bepackt in den Isihänger und fahren ins Dorf um Brot und Getränke zu kaufen. Anschließend fährt er uns 8 km und 400 hm den Berg hinauf, wo wir dann den Wanderweg zum Pass da Cancian unter die Hufe nehmen. Mit den Hufschuhen halten wir es so, dass Cool sie draufkriegt, wenn wir auf Teer- oder Schotterstraßen unterwegs sind. Im Berg geht er grundsätzlich Barhuf. Der Weg hinauf ist schön und Pat reitet Pach fast den gesamten Weg. Die Fahrstraße endet und wir lassen die Pferde weiden, bevor wir den Passweg in Angriff nehmen.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

Der Weg ist anfangs etwas kniffelig und wir führen die Pferde die ersten 100 hm hinauf. Später ist der Weg nur noch sehr steil aber nicht mehr sonderlich anspruchsvoll. Entsprechend lassen wir uns von den Pferden hinauf ziehen.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

Wir erreichen den Grenzpass und klettern weiter hinauf zum Campagneda Pass auf 2635 mH. Oben steht ein hölzernes Starttor einer Skianfahrt und wir genießen die fantastische Aussicht. Der Abstieg stellt wieder einige Anforderungen, aber für unsere Beiden sind das inzwischen keine Hindernisse mehr. Pach geht mit seiner souveräner Sicherheit die kniffligsten Sachen hinunter und Cool folgt ihm mit dem Zügel am Sattelknauf aufgehängt ebenso leichtfüßig und absolut trittsicher.

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Wir lassen die schwierigen Abstiege hinter uns und werden von einer Herde Esel verfolgt. Erst bemüht sich Pat die wieder den Berg hoch zu treiben, dann habe ich das Vergnügen, die gleiche Aufgabe zu übernehmen. Wir folgen dem Fahrweg ins Tal und heute ist wieder einer der Tage an denen ich mit Rollerskates an meinen Füssen wünsche, um den endlosen Teerstraßen Italiens mit heute 15 Kehren etwas abzugewinnen. Endlich nach fast drei Std. Teer erreichen wir Franscia, wo wir bei einem Albergio die Pferde einzäunen, vom lokalen Bauern Heu erfragen und nachdem die Pferde versorgt sind, endlich unseren Wasserhaushalt wieder ins Lot bringen können.

10 Tag.

Die Pferde stehen betröpfelt auf ihrem eingezäunten Stück Gras und schauen zu Boden. Es ist mal wieder richtig gutes Wetter für Enten und alle die es feucht und nass mögen. Bei diesem Wetter schmale Pfade auf einen Berg hinauf zu klettern, um dann oben im Nebel rum zu stochern, wir verzichten freiwillig und werden gemütlich der Straße folgen und sehen was der Tag uns bringt. Die Pferde hatten ihre Ration und wir kriegen jetzt unser Frühstück. Im strömenden Regen führen wir die Pferde die Teerstraße hinunter. Immer wieder müssen wir dabei durch unbeleuchtete Tunnel und zur Abhärtung meines Jünglings geht vor uns noch eine Gruppe Kühe, deren Gebimmel im Tunnel schön wiederhallt. Der Auto- Verkehr nimmt es gelassen und bald biegt der Hirte mit seinen Kühen von der Straße ab und wir ziehen weiter bergabwärts. Hier im Tal wird irgendwas aus dem Berg gefördert, daneben gibt es Steinbrüche in denen Granit und Schiefer abgebaut wird. Wir kommen zu einem Wanderweg, den ich bei der Planung als Alternative eingezeichnet hatte und wir entscheiden die Abkürzung zu nehmen. Es geht noch mal 200 m hinauf und etwa 3 km später stehen wir am Refiugio, wo wir uns den Weg ins Tal zeigen lassen. Erst ist es auch eine Art Fahrstraße, aber nach 50 m ist es nur noch ein schmaler Pfad der im Wald nach Currlo hinunterführt. Cool und Pach meistern den Abstieg auf nassen Wald- und Wiesenpfaden brillant und 50 min später sind wir wieder auf der Teerstrasse, die uns nach San Giacomo und Chiareggio hinauf führt. Wir sitzen auf und während die Feuchtigkeitsich langsam immer weiter vorarbeitet, kommen wir unserem Etappen Ziel immer näher. In San Giuseppe erkundige ich mich nach den lokalen Gegebenheiten, während Pat mit den Pferden unter dem Dach einer Glasresycling Anlage Schutz findet. Um uns aufzuwärmen, steigen wir ab und führen die Pferde die 5 km bis Chiareggio, wo uns ein Wirt einen Stall und Heu für die Pferde besorgt und wir ein Panasche und Spaghetti Pomodore vorgesetzt bekommen. Wir werden in sein persönliches Esszimmer geführt und unsere Sachen werden im Heizungskeller getrocknet. Es ist 15 Uhr und die Pferde haben nochmals etwas Ruhezeit, bevor wir morgen bei hoffentlich besserem Wetter den Muretta Pass in Angriff nehmen.

11. Tag

Nach dem Wolken-Nebel-Regentag sieht der Himmel mit seinen zwar noch immer grauen Wolken richtig verheißungsvoll aus. Heute sollten wir ihn packen den Muretto, der einzige Pass, den ich im Vorfeld nicht wirklich einschätzen konnte. Aber es sind schon andere diesen Weg gegangen. Wir haben Pachs hinteren Duplo nach 530 km noch mal neu aufgenagelt und hoffen, dass der jetzt noch vier Tage hält. Die Pferde haben einen ganzen Klein- Ballen Heu vertilgt und entsprechend verschissen sah der Stall auch aus, in dem wir die Beiden untergestellt hatten. Zwei angebundene Kälbchen, ein Hase und zwei Hunde leisteten ihnen Gesellschaft. Der Hotelier hatte sich super um uns gekümmert und wir bekommen unser Frühstück extra früh. Er ist sehr besorgt, dass wir den Pferden auch Sorge tragen und uns nicht verletzen. Um 8 Uhr sind wir unterwegs und es regnet für einmal nicht. Die alte Römerstrasse – jetzt Militärfahrweg führt durch Arven- und Tannenwälder und im Tal vor uns hängt ein Gletscher unter dem Gipfel. Der Herbst ist im Tal angekommen und leuchtet mit seinen Farben im unsteten Sonnenschein. Der Weg zum Pass hört auf der Höhe einer Alm auf und ein schmaler Pfad führt zum Sattel hinauf. Cool wird von Pat geführt, und als sie ihn hinter Pach herschicken will, entscheidet er, die Wand senkrecht hochklettern zu wollen, anstelle die Kehre auf dem Weg zu nehmen. Prompt rutscht er ab und kommt nicht mehr hoch, sondern landet seitlich unterhalb des Weges, auf dem er eben noch stand. Er versucht sich auf zu rappeln, aber sein hinterer Huf hängt an einem Felsen fest, und er kann es nicht runter nehmen. Pat beruhigt ihn und als ich bei Ihm bin liegt er friedlich auf der Seite auf meinem Gepäck und wartet, dass wir ihm helfen. Ich löse den Sattelgurt, nehme ihm das Gepäck ab und befreie seinen Fuß. Er rappelt sich auf und etwas verdattert steht er auf. Zum Glück ist außer ein paar Schrammen nichts geschehen. Wir satteln wieder auf und lassen ihn ein paar Minuten stehen. Bald geht er freiwillig weiter und wir führen den Rest des Weges bergan.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

Nun ist nichts mehr mit rumkaspern, treu brav folgt er mir genau auf Schritt und Tritt bis wir oben sind. Oben begrüßt uns heftiger Wind und Nebel. Na Prima. Laut Karte kann der Abstieg vom Pass in zwei Varianten gewählt werden, entweder Direttissima markiert oder einmal ohne Markierung links runter in ein Seitental, wo der Abstieg nicht ganz so steil ist. Ich halte die Pferde während Pat den Weg erkundet. Wir entscheiden uns fürs Seitental, dafür wartet unten dann der Weg im Fluss, der sich als etwas mühsamer herausstellt. Der weitere Abstieg war nicht kritisch, forderte jedoch beständig unsere ganze Aufmerksamkeit und die Pferde bewiesen ihre Ausdauer und Trittsicherheit ein weiteres Mal. Unten angekommen scheint die Existenz eines  Bauernhauses auf der Alp Cavlocc auf leichtere Bedingungen hin zu weisen. Weit gefehlt, der tosende Gletscherbach trennt uns von der Hütte und dem weiterführenden Wanderweg und es gibt drei Möglichkeiten rüber zu kommen. Erstens eine schmale Stegbrücke mit anschließender Holztreppe auf steilem Gletscherfels, zweitens ein etwa10 m länger Damm mit Schleuse, die allerdings mit einer Absperrung versehen ist, die sich ohne Werkzeug nicht entfernen lässt und drittens könnte der Fluss gefurtet werden, wenn die Wassermassen es denn zuließen. Option eins entfällt, da der nasse Holzsteg und die anschließende Treppe sowie der glatte Fels keine Alternativen erlauben, das furten erweiset sich beim Versuch als zu hohes Risiko, die Strömung ist so heftig, dass es kein durchkommen gibt. Also bleibt nur der Damm und die Absperrung. Mit etwas roher Gewalt statt dem fehlenden Werkzeug, ist dann aber auch dieses Hindernis beseitigt. Der beständige Regen hat überall den Weg überschwemmt, so dass der Weg zusätzlich auch noch die Qualität eines Teich- und Sumpfloch- Parcours hat. Endlich erreichen wir den kleinen smaragdgrün glänzenden See und das Refiugio Forneo. Von hier aus nehmen wir die Fahrstraße nach Maloja. In Sils am See gibt es laut dem Kioskbesitzer zwei Kutschenbetriebe. Beim einen, er gehört Gian, kommen wir problemlos unter. Die Pferde stehen auf einer riesigen Koppel und fressen Heulage bis sie satt sind, um sich dann dem Gras zu zu wenden.

12. Tag
 
Wir schlafen super gut, wenn uns auch der Muskelkater plagt. Cool geht am Morgen sichtlich steif und wir überlegen, was wir tun sollen. Pat verabreicht ihm eine Portion Kügelchen und ich später nochmal Equipalazone. Wir entscheiden, statt über einen weiteren Pass nach Bergün, zu Fuß die ca. 25 km nach S-Chanf hinauf zu gehen und dabei zu sehen, wie es dem Cool geht. Und dann morgen mit nur noch einem Pass nach Davos zurück zu kehren, oder das Auto zu holen. So marschieren wir die zwei Pferde im Schlepptau durch St. Moritz und Samedan. Nach einer halben Stunde hat sich Cool eingelaufen und es geht ihm offenbar wieder richtig gut, denn er fängt wieder an Blödsinn zu machen.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

Gegen 17.00 Uhr erreichen wir unser Ziel, wo der zweite Bauer, den wir fragen, uns Weide, Heu und Kraftfutter sowie einen Verschlag für unser Sattelzeugs zur Verfügung stellt. Das Abendessen und die Unterbringung gestaltet sich weitaus abenteuerlicher als der ganze heutige Tag. Wir finden ein einziges Hotel in S-Chanf und staunen über den Zimmerpreis von 156 CHF, um dann zu erfahren, dass es im ganzen Dorf nichts mehr zu Essen gäbe. Der Concierge hat Mitleid mit uns und fährt uns nach Zuoz, wo das von ihm avisierte Restaurant ebenfalls geschlossen ist. Zum Glück gibt es drei Gaststätten hier, so dass zwei weitere zur Auswahl stehen. Wenn das Essen hier auch teuer ist, in Italien hatten wir noch 35 € für Halbpension bezahlt, gibt es diesmal reichlich und unser Kalorienbedarf für heute ist im Gegensatz zu gestern gedeckt.

13. Tag

Der Concierge vom Hotel zeigt uns, wie wir in der Küche den Kaffee raus lassen können und wo wir Fleisch, Käse und die anderen Bestandteile eines guten Frühstücks finden. Damit können wir schon um 8 Uhr den langen Tag in Angriff nehmen. Es ist noch dichte Nebelsuppe als wir der Hauptstraße entlang ziehen um dann nach 4 km ins Vall Susauna ab zu biegen. Der breite Kiesweg führt uns durch den Weiler Susauna und dann immer Richtung Scalettapass. Auf den Weiden grasen schottische Hochlandrinder und später Schafe. Cool geht auch heute noch nicht 100 % sauber, vermutlich bedingt durch seinen Sturz zwei Tage zuvor. Also führen wir auch heute den ganzen Weg und nach einer halben Stunde schaut die Sache schon wieder völlig normal aus. Trotzdem, wir riskieren nichts, es sind ja nur knappe 40 km bis Davos. Nach einigen Ermutigungen geht er auch zügig voraus und Pat steigt auf Pach auf, da sie das Tempo nicht halten kann. Wir erreichen den Abzweiger zur Kesch-Huette und folgen diesem den Talboden hinauf. Nach etwa dem halbem Weg zweigen wir wieder nach Norden Richtung Sertigpass ab. Der Aufstieg ist unproblematisch und heute lassen wir auch die Hufschuhe drauf, um sicher zu gehen, dass sein Ticken vorne rechts nicht von der Sohle kommt. 50 m unter dem 2739 m hohen Pass wird der Weg gerölliger und die beiden müssen einige Felsplatten überwinden.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

























Oben auf dem Pass genießen einige Wanderer die wärmende Sonne und es werden eifrig Fotos von uns gemacht. Wir verweilen eine Weile um die Aussicht zu genießen und machen uns dann an den Abstieg. Der erste Km nach dem Pass war wieder recht schottrig, aber die Pferde laufen ihren Stiefel problemlos. Cool verliert das erste Mal auf dieser Tour einen Glove, aber ich merke es schon einige Minuten später und finde ihn auch gleich wieder. Einige Wanderer kommen uns entgegen und wir müssen sie bitten vom Pfad etwas hoch zusteigen, damit wir vorbei kommen. Der Abstieg im Sertigtal zieht sich und langsam freuen wir uns auf ein kühles Bier, welches wir uns in Sertig Dorf genehmigen. 8 km später sind wir wieder bei unserem Auto. Wir können die Pferde auf dem Paddock aufstellen und mit Heu und Kraftfutter versorgen. Schlafen werden wir auf Feldbetten in einem Container und morgen geht’s nach Hause. Wir haben ca. 480 km und fast 12000 hm gemacht, das heißt, die Pferden sind in den 12 1/2 Tagen annähernd 600 Lkm gegangen, wobei ich um Cool zu schonen, etwa 70 % der Strecke zu Fuß gegangen bin. Cool hat seine Feuertaufe mit Bravour gemeistert und seine Qualitäten als Gebirgsdistanzer unter Beweis gestellt. Einzig sein jugendlicher Übermut hat einmal zu einem Ausrutscher geführt, bei dem er sich weh getan hat. Er lässt sich super auf Abstand führen, zieht an, wenn der Pfad steiler wird und geht bereitwillig voran um mich am Schweif hinauf zu ziehen. Seine Hufe sind noch nicht soweit, eine solche Tour ohne Fühligkeit durch zu stehen, aber wir werden uns nächstes Jahr wieder darum kümmern.

Engadina 2012 – Wanderritt vom 21.9.-3.10.2012

Bilder: Pat Bohnert Gundelfingen

Text: Peter van der Gugten Schleitheim

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