Am 04. März 2016 fanden sich über 80 Teilnehmer im großen Seminarraum des Barockreitzentrums in Heimsheim ein. Locker und mit viel Witz referierte Dr. Peter Witzmann zu seinem Spezialgebiet „Gebisse - Wirkung und Auswirkung“ ohne dabei den Ernst des Themas aus den Augen zu verlieren.
Neben einem Ausflug in die Anatomie des Pferdemauls zeigte Dr. Peter Witzmann erschreckende Beispiele von Maulverletzungen aus dem Turniersport. Weit über die Hälfte der Beanstandungen bei Pferdekontrollen auf Turnieren (Zeitraum 1999-2015 / BAW) bezogen sich auf Verletzungen am Pferdemaul.
Mit Bildmaterial zu Verletzungen von u.a. der Backenschleimhaut, den Lippen, blutigen Wunden auf der Zunge sowie Entzündungen der Laden bekamen die Seminarteilnehmer einen Einblick in die schmerzhafte Vielfalt von durch Zaum und Gebiss entstandene Defekte. „Blut am Pferdemaul ist ein Symptom, das die Indikation für eine differenzierte Diagnostik darstellt .“ so Witzmann. Symptome, bei denen es wichtig ist, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Auch wenn blutiger Schaum vor dem Pferdemaul auf Turnieren oft als „Zungenbiss“ heruntergespielt wird.
Oft unterschätzt werden Belastungen des Pferdemauls durch zu eng geschnallte Reithalfter und zu kurze Backenstücke. Ein Grund für Dr. Peter Witzmann auch auf unterschiedliche Zäumungen und die Vorgaben durch die LPO („Zwei-Finger-Regel“ und „Ein-Falten-Regel“) näher einzugehen.
Interessiert verfolgten die Teilnehmer die Studie zum Verhalten der Maulspalte mit eingeschnalltem Gebiss. Bei der vorgegebenen Zäumung nach der LPO wird die Maulspalte bei hingegebenem Zügel permanent auf 140%, bei aufgenommenem Zügel auf 165% verlängert (Ausgangslänge mit dem Halfter = 100%). Dr. Peter Witzmann veranschaulichte mit einem Bildbeispiel, wie sich die Maulspalte bei einem zum Longieren unkorrekt gezäumten Pferd unter Zug auf 197% verlängert.
Mit Röntgenaufnahmen, Computerthermografischen Bildern und einem Kopfmodell vermittelte Dr. Peter Witzmann gut verständlich die realen Platzverhältnisse im Pferdemaul. Dabei zeigte er die Auswirkungen der verschiedenen Gebisse bei hingegebenem und angenommenem Zügel. mit Röntgenaufnahmen widerlegte er die allgemeine Annahme, dass sich vor allem das einfach gebrochene Gebiss bei Zug durch den Zügel in den Gaumen bohrt. Dafür belegte er, dass bei aufgenommenen Zügeln die Zunge leidet und alle Gebisse die Zunge quetschen können. Allen voran anatomisch geformte, die durch ihre Form die größte Berührungsfläche mit der Zunge haben.
Fazit:
Zum Wohl der Pferde ist das regelmäßige Informieren von Reiter, Ausbilder, Richter und Tierärzte zu dem Thema Gebisse und Zäumung genauso wichtig wie die Sensibilisierung in Bezug auf das Pferdemaul. Pferdekontrollen auf Turnieren müssen auch die Überprüfung von Backenstücke und Reithalfter mit umfassen. Genauso wichtig, wie eine fachgerechte Zäumung ist eine sensible Reiterhand.
Foto Röntgenbild: Dr. Peter Witzmann