von Fachbuchautorin Michaela MalucheFragt man Pferdebesitzer, wie sie das Anweiden handhaben, erhält man die verschiedensten Antworten. Die Bandbreite reicht von überhaupt nicht bis hin zu minutengenauem Steigern der Weidezeit über viele Wochen hinweg. Wie macht man es richtig? Und warum ist es so wichtig?
Das Verdauungssystem des Pferdes ist sehr empfindlich. Jede Futterumstellung sollte daher allmählich vorgenommen werden, so auch die Umstellung von Weidesaison zu Winterzeit und umgekehrt. Werden die Tiere ganzjährig auf Gras gehalten, fressen sie regelmäßig die Pflanzen aller Wachstumsphasen.
Die Darmflora kann sich laufend anpassen und ohne Probleme arbeiten. Bei nicht ganzjährigem Weidegang verschwinden nach und nach die Bakterien und Enzyme im Darm, die speziell für die Gras-Verdauung benötigt werden. Die Nahrung kann dann nicht mehr im nötigen Maß in ihre Bestandteile zerlegt werden, und die Nährstoffe gehen verloren. Bei einer plötzlichen Umstellung können Durchfall und Koliken die Folge sein.
Problematisch kann auch der hohe Gehalt an Eiweiß im frühen Gras sein. Wenn mehr aufgenommen wird als abgebaut werden kann, kann es zu Problemen wie z.B. angeschwollenen Beinen (besonders hinten) kommen.
Eine große Gefahr stellt auch das im Gras enthaltene Fruktan dar. Fruktan ist eine komplexe Zuckerart, die als kurzfristiger Energiezwischenspeicher dient und vornehmlich in den Grasstengeln vorkommt. Wird durch günstige Wetterbedingungen mehr Energie gebildet als zum Wachsen der Pflanzen benötigt wird, wird die überschüssige Energie als Fruktan zwischengespeichert.
Dies ist besonders bei Kälte mit gleichzeitiger Sonneneinstrahlung der Fall. Die plötzliche Aufnahme von Fruktan oder größere Mengen davon können zur Vermehrung „der falschen Darmbakterien“ führen, was wiederum bewirken kann, daß die eigentlich benötigten Bakterien absterben. Die empfindliche Darmflora kommt dann aus dem Gleichgewicht. Die toten Bakterien setzen Giftstoffe frei, die Blutgerinnsel bilden und die Kapillargefäße der Huflederhaut verstopfen. Es kann zur Huflederhautentzündung oder gar zu einem Hufrehe-Schub kommen.
Aus den genannten Gründen empfiehlt es sich auf jeden Fall, die Umstellung langsam vorzunehmen. Man kann in der ersten Woche mit täglich ca 10-15 Minuten grasen an der Hand anfangen. In der zweiten Woche steigert man die Zeit auf eine halbe Stunde, in der dritten Woche auf ca. eine ganze Stunde. So kann sich die Darmflora den veränderten Gegebenheiten langsam anpassen, und das Pferd kann für halbe Tage auf die Weide. Kurze Zeit später ist dann auch ein ganzer Tag kein Problem mehr. Wichtig dabei ist auch die Regelmäßigkeit. Man sollte dieses Schema wirklich täglich durchführen.
Wenn das Pferd vor dem Weidegang Heu bekommen, schlingt es das Gras nicht so in sich hinein. Die vorherige Gabe von Kraftfutter sollte jedoch wegen möglicher Gärprozesse vermieden werden.
Reagiert das Pferd empfindlich auf das Gras, z.B. mit heftigem Durchfall, muß man die Anweideperiode nochmal verlangsamen. Und die Umstellung im Herbst auf Kraft- und Rauhfutter nimmt man natürlich genauso allmählich vor.
Bald werden die Weiden geöffnet. Also, frohe Anweidezeit.
Weitere Informationen zu Michaela Maluche und ihren Aktivitäten sowie Veröffentlichungen gibt es unter http://www.pferdebesitzer.info.
Bilder: