von Rechtsanwältin Ortrun Voß
Die kalte Jahreszeit ist da. Den Reitern ist es oft zu kalt und zu ungemütlich, ihre Pferde ausreichend zu bewegen. Die Tiere sind jedoch fit und leistungsbereit. Das kalte Wetter trägt gerade dazu bei, dass sie sich selbst „aufwärmen wollen“.

Zum Service vieler Pferdepensionsställe gehört seit langer Zeit eine Führanlage. Jeder Pferdehalter weiß, dass die Nutzung nicht ganz ungefährlich ist. Schwerwiegende Verletzungen kommen zwar seltener vor, im Schadensfall wird aber regelmäßig der Stallinhaber zur Verantwortung gezogen.

Das Landgericht Saarbrücken hatte über einen Fall zu befinden, in dem es um Verletzungen eines Pferdes geht, die dieses sich in einer Führanlage zugezogen hat. Der Pferdepensionsbetreiber (Beklagte) bot gegen ein geringes Entgelt die Nutzung der Führanlage an, in der sich gleichzeitig vier Pferde bewegen konnten. Die „Abteile“ für die Pferde wurden getrennt durch ein aus Metalldraht gefertigtes Gitter in einem Stahlrohrrahmen. Nun hatte das Pferd der Klägerin durch dieses Gitter geschlagen und sich dadurch schwerwiegende Verletzungen zugezogen. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz der Tierarztkosten. Zur Begründung führt sie aus, dass die Konstruktion der Führanlage nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Das Gitter, in welchem sich ihr Pferd die Verletzungen zugezogen habe, sei schon vor dem Unfall beschädigt gewesen. Sie selbst habe jedoch die Unsicherheit und die Gefährlichkeit der Anlage nicht erkennen können. Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, dass der Beklagte (Stallinhaber) hier grob fahrlässig den Schaden verursacht habe.
Der Beklagte führte aus, dass die Gitter der Führanlage üblichen Beanspruchungen durchaus standgehalten hätten. Ein anderes Pferd sei nie zu Schaden gekommen. Das Pferd der Klägerin sei insgesamt zu wenig bewegt worden und habe zudem die notorische Unart, auszuschlagen.
Weiter führte der Beklagte aus, dass er es der Klägerin untersagt habe, die Führanlage zu nutzen (eben weil die Stute sich auffällig verhalte).
Erstinstanzlich sind Zeugen dazu gehört worden, ob der Beklagte tatsächlich dieses Verbot ausgesprochen hat. Die Zeugen konnten dies bestätigen. Letztlich stellte das Landgericht Saarbrücken jedoch folgendes fest:
„Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage –gleich welcher Art- schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Beschädigung zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtig denkender Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.“
Das Landgericht Saarbrücken meinte, dass generell eine Haftung des Beklagten als Betreiber der Führanlage in Betracht komme. Im konkreten Fall trete jedoch ein etwaiges Verschulden des Beklagten gegenüber einem ganz überwiegenden Eigenverschulden der Klägerin zurück.
Als entscheidend betrachtete das Landgericht Saarbrücken, dass der Beklagte es der Klägerin verboten habe, ihr Pferd in der Führanlage zu bewegen.
Die Tatsache, dass sich die Klägerin über das ausgesprochene Verbot hinweggesetzt hat, wurde ihr als Mitverschulden angerechnet. Grundsätzlich muss bei einem Schadensfall das Mitverschulden berücksichtigt werden. Das Mitverschulden kann zu einem Wegfall der Schadensersatzpflicht oder zu einer vollen Haftung des Schädigers führen. Hier hat das Gericht insoweit eine Abwägung vorzunehmen. Ein Schadensersatzanspruch scheidet letztlich dann aus, wenn ein Verschulden des Schädigers gegenüber dem Mitverschulden des Geschädigten zurücktritt. So hat es das Landgericht Saarbrücken hier auch beurteilt. Für die Klägerin habe das ausgesprochene Verbot Anlass sein müssen, auf die Nutzung der Führanlage gänzlich zu verzichten. Wenn sie dennoch ihr Pferd in der Führanlage bewegt habe, könne das nur dahin verstanden werden, dass das Risiko bewusst in Kauf genommen worden sei.
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken Berufung eingelegt. Das Saarländische Oberlandesgericht hat bestätigt, dass grundsätzlich der Betreiber einer Führanlage gegenüber berechtigten Nutzern für die Verkehrssicherheit der Anlage einzustehen habe. Allerdings sei anerkannt, dass absolute Sicherheit nicht gefordert werden könne. Im Ergebnis hat das OLG die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und ist in seiner Argumentation sogar noch weitergegangen. Nach der Auffassung des OLG fehlte es bereits an dem Beweis, dass ein möglicherweise nicht verkehrssicherer Zustand der automatischen Führanlage für die Verletzung des eingestellten Pferdes ursächlich geworden sei. Allein die Tatsache, dass eines der Gitter einen Schaden aufgewiesen habe, führe nicht zwangsläufig zu einer Schadensersatzpflicht des Stallinhabers. Die Klägerin hätte vielmehr konkret darlegen müssen, dass die Vorbeschädigung sich entsprechend ausgewirkt habe. In der Entscheidung des OLG ist ausgeführt worden, dass selbst bei absolut ordnungsgemäßer Ausgestaltung der Führanlage Schadensfälle nicht generell vermieden werden können.
Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass jeder Pferdehalter eine Eigenverantwortung hat.
Weitere Informationen zu Ortrun Voß und ihren Fällen gibt es unter http://www.rechtsanwaeltin-voss.de/

 

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