Die VFD „setzt sich zur Aufgabe, das Kulturgut Pferd zu pflegen." (siehe Satzung*) Für uns Mitglieder stellt sich die Frage, was diese Aufgabenstellung bedeutet, wie wir ihr entsprechen können und welche Möglichkeiten es gibt, um diesen Auftrag zu erfüllen. Der Begriff „Pferd“ steht selbstverständlich immer auch für alle anderen in Frage kommenden Equiden: Esel, Mulis, Maultiere und Ponies

Das Pferd: Partner, Kulturgut, Nutztier 

Als Freizeitreiter und –fahrer sind wir bemüht um einen partnerschaftlichen Umgang mit unseren tierischen Begleitern. Wir erleben sie als Mitwesen oder Mitgeschöpfe. In unserem Bemühen um harmonische Partnerschaft mit unseren vierbeinigen Begleitern laufen wir jedoch Gefahr, Geschichte und Voraussetzung ihrer Existenz zu übersehen. In menschlichem Dienst hat das Pferd vielfältige Gestalt angenommen. Der Spruch hierzu lautet: „Jede Scholle hat ihr Pferd.“ 

In unserem Fokus jedoch befindet sich das einzelne Tier als Individuum, dem unsere Fürsorge gilt. Dieses an und für sich löbliche Verhalten hat auch eine Kehrseite und kann für den Erhalt von gefährdeten Pferdepopulationen existenzgefährdend sein, wenn die Grundlagen für ihr Überleben, die auch in der Verwendung in ihren ursprünglichen Arbeitsbereichen liegen, zu wenig oder keine Beachtung finden.  

Von Bedeutung ist, die Angepasstheit von Equiden an ihre ursprünglichen Lebensräume und natürlichen Lebensbedingungen nicht zu unterschätzen oder außer Acht zu lassen. 

Das Leben von Pferden als Herden- und Steppentiere ist an große Zusammenhänge gebunden, die häufig unsere Wahrnehmung übersteigen und uns im Umgang mit ihnen in Frage stellen können. 

Zusätzlich ändern sich menschenverursacht die Lebensbedingungen auf unseren Planeten Erde mit gravierenden Folgen. 

Ergebnis einer aktuellen Studie eines Forscherteams aus Berlin, Hannover und München kommt zu dem Ergebnis, dass auch ein Großteil der Rinder nicht nur an den Haltungsbedingungen, sondern an der unangemessenen und nicht artgerechten Fütterung massiv leidet. Überschriften in den Medien lauten: „Mager, krank, lahm -  Deutschlands Kühen geht es schlecht.“ (ntv, panorama, 01.12.20

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die moderne Hochleistungskuh im Gegensatz zu ihren ursprünglichen und heute in ihrem Bestand gefährdeten Vorgängerinnen unter natürlichen Bedingungen keine Überlebenschance hat. 

Und zwischen den Bemühungen der Landwirte für eine Optimierung der Versorgung und der durch Zucht forcierten Hochleistung in der Produktion von Milch scheint zum für die leidtragenden Kühe eine unüberbrückbare Kluft zu existieren.  

Durch die unverhältnismäßige Subventionierung der Agrarindustrie wird nachhaltige Landwirtschaft massiv benachteiligt und die Kosten für die Haltung von Pferden unangemessen in die Höhe getrieben und so für viele unerschwinglich. 

Zudem wird Natur und Landschaft nicht nur in ihrer Biodiversität, sondern auch als Erlebnis- und Erholungsraum zunehmend beeinträchtigt oder zerstört und geht so auch für die erfüllende Ausübung von Freizeitaktivitäten wie Wanderreiten, Wanderfahren oder Säumen, aber auch für die finanzierbare Zucht von gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Pferden zunehmend verloren. 

Für den Erhalt gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Rassen ist neben dem Erhalt natürlicher Lebensräume auch die Entwicklung von ausreichenden Möglichkeiten ihres Einsatzes in der nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft, im sanften Tourismus, für die Versorgung von Schutzhütten, für kommunale Aufgaben oder in der Erlebnis- und Naturpädagogik erforderlich. 

Aufgabe der Politik ist, um Fehlentwicklungen der Vergangenheit aufzuarbeiten und Perspektiven einer lebenswerten Zukunft zu gewährleisten, die Vergabe von Agrarsubventionen an natur- und tierschutzfachliche Vorgaben zu knüpfen. 

Abstrakte Forderungen und Kampf gegen die Zeit 

Forderungen nach dem Erhalt der genetischen Vielfalt der gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Pferdrassen klingen abstrakt und verfehlen deshalb häufig ihr Ziel. Wer die Bemühungen von engagierten Züchtern und Unterstützern gefährdeter oder vom Aussterben bedrohter Pferderassen kennt, weiß mit welch geringen Erfolgen sie sich zufrieden geben müssen und mit welchen Schwierigkeiten und Rückschlägen sie konfrontiert sind.  

Bei den meisten gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Pferderassen bedeuten Bemühungen um ihren Erhalt einen ausweglosen Kampf gegen die Zeit, bei dem private Züchter und Unterstützer von Politik und Gesellschaft meistens alleine gelassen werden: Die große geschichtliche Bedeutung dieser Pferde scheint aus dem Gedächtnis einer technik- und fortschrittsgläubigen Welt wie ausradiert: Kein Wunder also, wenn Haupt- und Landgestüte hochsubventioniert der Zucht von modernen Hochleistungspferden frönen und sich dem Erhalt gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Pferderassen meist wenig verpflichtet fühlen.  

Auch in der Bildungspolitik haben die sogenannten MINT-Fächer immer noch einen höheren Stellenwert als das Bewusstsein über die Bedeutung natürlicher Wahrnehmung und Sinnesorgane, wie sie uns an ihren Lebensraum angepasste Tiere vermitteln können. 

Opfer „menschlicher Zivilisation“ 

Ein besonders tragisches Beispiel unserer Zeit finden wir im einst weit verbreiteten Bosnischen Gebirgspferd, dessen Bestand seit den Wirren des unseligen Balkankrieges nicht nur bis auf wenige Zuchttiere zusammengebrochen ist, sondern dessen natürliche Lebensräume von unermesslicher Schönheit und Rauheit durch die rücksichtslose Ausbreitung des Menschen bedroht sind. Das Bosnische Gebirgspferd gilt als autochtone und älteste Pferderasse Europas mit unterschiedlichen Bluteinflüssen von eingeführten Pferden durch Einfälle der Hunnen, Awaren, Magyaren und Osmanen. 

Vom gleichen Schicksal betroffen ist der charmante Balkanesel, der als Pferd des kleinen Mannes unzählige Existenzen gesichert und das Leben vieler Menschen erleichtert hat. Sein Überleben ist heute ebenfalls nicht mehr gesichert. Wenige Exemplare haben wenigstens im Naturpark Zasavica Zuflucht und neue Aufgaben gefunden.  

Die am 15. März 1963 stattfindende Großkundgebung der Bewegung „Das Pferd muss bleiben“ in den ausverkauften Dortmunder Westfalenhallen war ein Abschied vom Arbeitspferd und der Beginn der Ära des Sportpferdes. Der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke übermittelte den Teilnehmern folgende Botschaft: „Einzig und allein der Mensch entscheidet, ob das Pferd bleiben wird oder nicht. Sollte eines Tages das Pferd verschwinden, so nur durch die Schuld des Menschen.“ 

Pferd ist nicht gleich Pferd 

Entscheidend für den Schutz gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Pferderassen ist der Erhalt von Möglichkeiten ihrer Verwendung in ihren ursprünglichen Einsatzbereichen. Bei der Erschließung neuer Einsatzbereiche ist strengstens zu achten, dass die neuen Anforderungen den ursprünglichen Eigenschaften der Pferde entsprechen und nicht unter Missachtung der ursprünglichen Eigenschaften, eine züchterische Anpassung der Pferde an zeitgeistunterliegenden Wunschvorstellungen und Modetrends erfolgt. 

Das Argument, durch neue Zuchtziele gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Pferderassen eine Zukunft zu ermöglichen, führt langfristig in die Irre. Vielmehr ist damit unweigerlich die Gefahr einer Verfälschung von über Jahrhunderten erfolgter Anpassung an natürliche Lebensbedingungen und ursprüngliche Arbeitsanforderungen verbunden.  

Häufig erfolgt die Verfälschung in Form züchterischer „Veredelung“, um die erwünschte Sporteignung zu verbessern oder durch „Vergrößerung“, um der Nachfrage hochgeschossener Wohlstandsbürger zu entsprechen. Folgen dieser züchterischen Einflussnahme sind häufig der Verlust der Robustheit, Eigenart und Umgänglichkeit, sowie die Zunahme gesundheitlicher Probleme. 

Besonders problematisch ist die Kreuzung von konsolidierten Rassen. Spätestens in der zweiten Generation werden die Erwartungen von der erhofften Addierung positiver Eigenschaften nicht nur schwer enttäuscht, sondern Abkömmlinge solcher Versuche gehen für den Zuchterhalt gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Rassen für immer verloren.  

Was können man oder frau für den Erhalt gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Pferderassen tun? 

  1. Interesse an der Vielfalt der Pferdewelt entwickeln sowie sich ihre Gefährdung und die Folgen ihres Verlustes vergegenwärtigen.
  2. Wenn möglich, beim Pferdekauf Vertretern gefährdeter oder vom Aussterben bedrohter Rassen den Vorzug geben.
  3. Wenn die Voraussetzung bestehen, sich an der Zucht gefährdeter oder vom Aussterben bedrohter Rassen beteiligen.
  4. Einsatzbereiche für Arbeitspferde und für gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Rassen entwickeln, gestalten oder aktiv nutzen
  5. Auf Vorzüge und Bedeutung gefährdeter oder vom Aussterben bedrohter Rassen hinweisen.

Was können wir als Vereinigung für den Erhalt gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Pferderassen tun? 

  1. Interesse an der Vielfalt der Pferdewelt wecken sowie auf ihre Gefährdung und die Folgen ihres Verlustes hinweisen. (z. B. regelmäßige Berichte und Werbung)
  2. Fördermaßnahmen für Besitzer von Pferden einer gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Rasse anbieten. (z. B. Vergünstigung bei Kursgebühren oder Werbekosten)
  3. Einsatzbereiche für Arbeitspferde und für gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Rassen entwickeln und gestalten. (Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Reit- und Fahrunterricht, Säumen, Therapie usw.) 
  4. Aufbau von Netzwerken zur Förderung des Einsatzes von Arbeitspferden und von gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Pferderassen in unterschiedlichen Bereichen
  5. Förderung des ökologischen Tourismus mit Einsatz von Arbeitspferden und von gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Pferderassen

Was kann Politik in einem gesellschaftlichen Auftrag für den Erhalt gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Pferderassen tun? 

  1. Förderung der Zucht und Haltung gefährdeter oder vom Aussterben bedrohter Pferde- und Nutztierrassen
  2. Zucht gefährdeter oder vom Aussterben bedrohter Pferderassen in den Haupt- und Landgestüten (z. B. Leutstettener, Rottaler, Zweibrücker usw.) Beispiel: Warum ist das Leutstettener Pferd nicht im Haupt- und Landgestüt Schwaiganger zu finden? 
  1. Förderung des Einsatzes von Arbeitspferden in der nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft, für Pflegmaßnahmen in Naturschutzgebieten und in Freilichtmuseen, bei der Schutzhüttenversorgung
  2. Förderung der tiergestützten Natur- und Erlebnispädagogik sowie Therapie
  3. Maßnahmen zum Erhalt der genetischen Vielfalt

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