Kutsche 2Die Mustangs des Balkan - Anton Dolinšek kämpft für das Bosnische Gebirgspferd

Das sechste Jahr schon verleiht die VFD nun den Eisernen Gustav, einen Preis für Pferdekultur im weiteren Sinne. In der Kategorie „Mensch und Tier“ erhielt jetzt der slowenische Züchter Anton Dolinšek diese Auszeichnung. Mit großem persönlichem Einsatz hat er sich über Jahrzehnte hinweg für das Bosnische Gebirgspferd als eines gemeinsamen Kulturguts des früheren Jugoslawien stark gemacht. Dadurch haben er und seine Mitstreiter maßgeblichen Anteil daran, dass dieses Mitglied der großen europäischen Pferdefamilie auch für künftige Generationen erhalten bleiben wird.

 

Preisübergabe 2

 

Der Preis wurde ihm auf der Agra in Gornja Radgona von Josef Schrallhammer verliehen. Am Rande der Messe führte der Autor Stefan Schomann, selbst Preisträger im Jahr 2019, das folgende Gespräch mit Anton Dolinšek.

 

 

 

 

 

Interview von Stefan Schomann mit Anton Dolinšek:

Die Vielfalt der Pferderassen erstaunt mich immer wieder. Selbst in einem vergleichsweise kleinen Land wie Slowenien findet sich ein breites Spektrum, vom Lipizzaner über das heimische Kaltblut bis zum Bosnischen Gebirgspferd, das dank Ihrer Bemühungen ebenfalls als autochthone Rasse anerkannt ist.

Pony im GaloppAnton Dolinšek: Noch in den siebziger Jahren lebte in ganz Jugoslawien fast eine halbe Million davon, allerdings waren die wenigsten reinrassig. Es gab nur mehr Borike als staatliches Gestüt und ein oder zwei Militärgestüte. Begonnen hat die Zucht Ende des 19. Jahrhunderts unter den Österreichern, die Bosnien-Herzegowina damals bereits verwalteten, etwas später dann annektierten. Daher gab es dort, und nur dort, eine systematische Zucht dieser Landrasse, analog zu den berühmten Lipizzanern, wenn auch für andere Zwecke. Die treibende Kraft war das Militär, das in großen Mengen gebirgstaugliche Arbeitspferde brauchte. Teilweise waren die gleichen Leute dafür zuständig wie drüben in Lipica.

 

Liebes Pony

Was zeichnet diese Pferde aus?

Das Bosnische Gebirgspferd ist ein Kleinpferd, das vor allem als Tragtier eingesetzt wurde. Über Jahrhunderte beförderte es Waren über die gesamte Balkanhalbinsel hinweg bis in den Nahen Osten und zurück. Da waren lange Karawanen unterwegs.

Auf den Hochflächen des Dinarischen Gebirges hatten bis ins Mittelalter Restbestände des Tarpan überlebt, des osteuropäischen Wildpferdes. Sie vermischten sich dann mit entlaufenen Hauspferden. Seit Borike vor einigen Jahren aufgelöst wurde, streifen dort wieder solch halbwilde Herden herum. Das Bosnische Gebirgspferd besitzt noch „primitive“ Gene und urtümliche anatomische Merkmale. Hinzu kommen bestimmte Fellfarben, Ansätze zum Aalstrich auf dem Rücken und Zebrastreifen an den Beinen. Diese Merkmale teilt es mit dem Tarpan, dem polnischen Konik, das ebenfalls vom Tarpan abgeleitet ist, und dem Przewalski-Pferd. Die meisten modernen Rassen sind dagegen stark spezialisiert und genetisch eher arm. Auch deshalb sollten wir solch „primitive“ Rassen unbedingt erhalten, um ihre genetischen Ressourcen zu bewahren.

 

Fohlen Wie sind sie in der Haltung?

Sehr gesund und robust, ausgesprochen genügsam, gute Futterverwerter. Wir tun uns schwer, die Kosten für tierärztliche Behandlung anzugeben, weil solche Kosten kaum anfallen. Die Trächtigkeitsrate liegt weit über neunzig Prozent, und sie fohlen ohne Probleme. Sie sind bemerkenswert ruhig, ausgeglichen und zugewandt.

 

 

 

Kutsche 1

Wie kam es, dass Sie, um es salopp zu sagen, einen Narren an Ihnen gefressen haben?

Ich bin als Kind noch mit diesen Pferden aufgewachsen. Sie haben mich damals schon beeindruckt, trugen sie doch beispielsweise bei der Waldarbeit das Nutzholz die steilen Hänge hoch, bei dreißig Prozent Steigung, ohne Probleme. Viele Jahre später hatte ich geschäftlich in Bosnien-Herzegowina zu tun und wollte schließlich zwei oder drei Stück für meine Familie kaufen, nur zum Vergnügen. Aber welch ein Schock – es gab diese Pferde nicht mehr! Ich sah keine und bekam auch keine.

Was war geschehen? Schon in den achtziger Jahren war diese Rasse durch zunehmende Mechanisierung und den Bau von Straßen und Bahnlinien nach und nach arbeitslos geworden. Nach den Balkankriegen stand sie endgültig vor dem Aus. Ich habe so viel Literatur wie möglich zusammengetragen und mich mit Züchtern, Veterinären, Haustierkundlern ausgetauscht. Dann habe ich mit der Zucht begonnen. Erst hatte ich nur ein paar Stuten und einen Hengst, doch ein paar Jahre später schon dreißig Tiere. Das war alles noch in Bosnien. Dann kehrte ich mit den Pferden zurück nach Slowenien und setzt die Zucht hier fort.

Was war Ihre Vision?

Mir war klar, dass man, wenn man diese Rasse bewahren wollte, das auf europäischer Ebene angehen musste. Sehr zu meiner Freude entwickelten sich Kontakte zu Züchtern in den Niederlanden, der Schweiz, Deutschland und Österreich. Die verstehen meine Passion, meine Strategie und beteiligen sich nach Kräften; grob gerechnet gibt es dort jeweils etwa zwanzig reinrassige Tiere. In Bosnien, Serbien und Kroatien stehen weitere, auch wenn sie dort nicht immer internationalen Standards entsprechen.

Insgesamt reden wir über vielleicht vierhundert Tiere – das ist immer noch viel zu wenig. Doch vor zwanzig Jahren umfasste die gesamte Population nur ein Zehntel davon, so gesehen sind wir ein gutes Stück weiter. Auf Dauer braucht es freilich zweitausend Individuen, um das Überleben einer Art oder einer Rasse sicherzustellen. Wir haben einen internationalen Verband aufgebaut, haben das Zuchtbuch erstellt, versuchen weitere Mitglieder zu gewinnen.

Preisübergabe mit Josef

Das passt ja auch gut zum Geist des „Eisernen Gustav“, der sich ausdrücklich als eine internationale Auszeichnung versteht. Sie sind jetzt der erste Preisträger aus Osteuropa.

Dieser Preis bedeutet mir sehr viel, und auch all meinen Mitstreitern, für die ich ihn stellvertretend entgegennehme. Wir müssen etwas für diesen Planeten tun, in unserem Interesse wie in dem künftiger Generationen. Denn es geht ja nicht nur um dieses eine Pferd. Es verschwinden immer mehr Wildtierarten und Haustierrassen, die Schöpfung verarmt rapide. Sie selbst haben ja ein Buch über die Przewalskipferde geschrieben, eine wunderbare Tierart, die nur mit knapper Not dem Aussterben entgangen ist. Jede Art, die verschwindet, bedeutet einen unwiederbringlichen Verlust.

Hinzu kommt, dass das Pferd für die Entwicklung des Homo sapiens das folgenreichste Tier war. Noch im 19. Jahrhundert erwirtschafteten Pferde das halbe Bruttosozialprodukt; Landwirtschaft, Transport und Militär hingen von ihnen ab. Dafür sind wir ihnen Dank schuldig, das sollten die Gesellschaften, aber auch die Regierungen und Institutionen wertschätzen.

Heutzutage werden Pferde vor allem im Sport und für die Freizeit eingesetzt. Doch die Arbeit war historisch die ungleich wichtigere Nutzung, und dafür steht das Bosnische Gebirgspferd wie kaum eine andere Rasse. Ich sehe es als ein Stück unserer europäischen Kultur, das nicht verschwinden darf.

 

Bildunterschriften:
Eingangsbild: Freunde und Züchter des Bosnischen Gebirgspferdes
Bild 1 Bosnische Gebirgspferde bei einer Vorführung auf der Landwirtschaftsmesse Agra im slowenischen Gornja Radgona. Barbara Figl mit Tochter Emilia, im Hintergrund Uroš Spruk.
Bild 2 Preisübergabe Anton Dolinšek (li.) mit Josef Schrallhammer (re.)
Bild 3 Uroš Spruk
Bild 4 Štefka und Uroš Spruk
Bild 5 Uroš Spruk
Bild 5 Barbara und Emilia Figl
Bild 7 Anton Dolinšek (li.) mit Josef Schrallhammer (re.)

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