Nutztierhalter und Naturschützer, Ehrenamtliche, Fachleute aus den Nutztier- und Umweltverbänden, ein Rechtsanwalt, ein Bürgermeister und interessierte Bürger trafen sich in Mainhardt zu einer Fortbildung in Sachen Wolf und Herdenschutz. Veranstaltet wurde dieses Seminar von der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. (GzSdW) zusammen mit der Ehrenamtsorganisation WikiWolves und der Firma Patura KG.
Mainhardt / Großerlach, Landkreise Schwäbisch Hall und Rems-Murr. Seit es in Deutschland wieder Wölfe und Luchse gibt, müssen sich vor allen Dingen die Nutztierhalter, allen voran die Schaf- und Ziegenhalter mit Herdenschutz auseinandersetzen. War es bisher nicht sonderlich schwer, Tiere innerhalb eines Zaunes zu halten, so ist mit dem Einzug der Wölfe auch der Einbruch von außen zu verhindern. Der Wolf ist ein Opportunist, d.h. er holt sich dort sein Futter, wo er am leichtesten rankommt. Das gleiche gilt natürlich auch für den Luchs, der ebenfalls vereinzelt in Baden-Württemberg auftritt. Ist es bisher nur ein einzelner residenter Wolf in Baden-Württemberg, im Nordschwarzwald, so finden sich jedoch auch immer wieder weitere durchziehende Rüden auf der Suche nach einem Partner. Die Überlebenschancen sind bisher nicht sehr groß, auch in Baden-Württemberg wurden allein zwei Brüder aus dem Calandarudel in der Schweiz auf Autobahnen überfahren und im Schwarzwald ein Wolf illegal erschossen. Dieser wurde dann im Schluchsee gefunden. Dennoch ist mittelfristig mit Wölfen zu rechnen und jeder Nutztierhalter tut gut daran, sich jetzt schon zu informieren und in Prävention zu investieren, noch bevor Wölfe lernen, wie sie an Schafe rankommen.
Gestartet wurde die Veranstaltung mit einigen Vorträgen auf dem Demeter-Betrieb Riegenhof in Mainhardt. Dr. Peter Herold von der GzSdW aus Großerlach, Rems-Murr-Kreis, der das Seminar angeregt und organisiert hatte, leitete mit dem Statement „Wolfsschutz ist Herdenschutz “ in die Problematik ein, dass das Ziel sein muss, dass Wölfe erst gar keine Nutztiere reißen können. Er erläuterte die Biologie des Wolfes und die aktuellen Zahlen zur Verbreitung. So wurden im letzten bestätigten Untersuchungszeitraum ca. 100 besetzte Wolfsterritorien in Deutschland gezählt, knapp 80 Rudel, 9 Paare und 12 Einzelwölfe. Abgeleitet von geeigneten Lebensräumen für Wölfe in Deutschland, geht die Wissenschaft von ca. 500 Rudeln aus, die sich maximal in Deutschland bilden und halten könnten. Eine unendlich hohe Wolfsdichte, wie von manchen populistisch verbreitet, werde es, so Herold, nicht geben, da Wölfe territorial sind und ihre Reviere gegen andere Wölfe verteidigen. Auch sterben jedes Jahr sehr viele Wölfe im Straßenverkehr, vor allem Welpen und Jungwölfe auf Wanderschaft. Dr. Herold bedauerte, dass der Wolf für viele Probleme verantwortlich gemacht werde, die woanders ihren Ursprung haben. Im Hinblick auf die Nutztierhalter, denen die Politik wenige Tage zuvor abermals die von den Nutztierhaltern geforderte Weidetierprämie verweigert hat, sagte er: „Das Problem ist nicht der Wolf, sondern die Politik!“.
Der nächste Referent, Frank Lamprecht, arbeitet mit Schafen, Ziegen, Rindern, Eseln und Pferden in der Landschaftspflege im Landkreis Rottweil, ist bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg als Herdenschutzberater angestellt und arbeitet für den Naturschutzbund (NABU) Baden-Württemberg im Bereich des Forschungsprojektes Herdenschutz, welches gemeinsam vom Landesschafzuchtverband und dem NABU getragen wird. Er erläuterte die diversen Herdenschutzmaßnahmen, angefangen von den Zäunen, über Herdenschutzhunde bis hin zur Behirtung. Grundlage ist für ihn das aktuelle Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofes EuGH, welches den besonderen Schutz des Wolfes bestätigt hat. Der Wolf sei da, werde bleiben, auch wenn viele ihn nicht gewollt haben. Nun heißt es, sich mit ihm zu arrangieren und ausreichende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um seine Tiere zu schützen. Auch bei den Zaunherstellern gibt es neue innovative Zaunkonzepte, wie den Zaun, der auch in der untersten Litze Strom führen kann. Andere Erfindungen gegen Wölfe, wie Stromhalsbänder bei Schafen, Reflektoren oder Blinklichter sehe er eher kritisch in der langfristigen Wirkung. Herdenschutzhunde könnten vermehrt eingesetzt werden, wenngleich sie auch nicht für jedermann geeignet sind. Hundeaffinität und der Wille, viel über diese Hunde zu lernen, ist Voraussetzung für deren Haltung. Dabei muss aber entschieden der These entgegengetreten werden, dass diese Hunde per sé für den Menschen gefährlich seien. Sie müssten richtig sozialisiert sein und Menschen und Tiere kennen, dann wären sie eine optimale Ergänzung zu guten Zäunen.
Diana Dengler aus Enzklösterle im Schwarzwald, also dort, wo es derzeit den einzigen residenten Wolf in Baden-Württemberg gibt, ist die Gebietsleiterin für Baden-Württemberg der Ehrenamtlichen-Organisation „WikiWolves“, die sie in ihrem Vortrag vorstellte. In Deutschland gebe es 14 Ansprechpartner, die viele Regionen abdecken. Dazu gehören viele weitere WikiWolves-Freiwillige. Diese werden kurzfristig benachrichtigt, wenn irgendwo eine Wolfsattacke passiert und ein Nutztierhalter Hilfe beim Bau wolfsabweisender Zäune benötigt. „Wir wollen den Nutztierhaltern unsere Solidarität zeigen, wir kommen nicht um zu belehren, sondern um zu helfen“, so Dengler. Noch besser sei aber immer die Prävention, auch hierbei können WikiWolves-Freiwillige angefragt werden. Diese nehmen oft weite Anfahrten in Kauf und übernehmen, wenn nötig, sogar die Nachtwache am Schafspferch „… damit der Schäfer einmal in Ruhe schlafen kann“, so Dengler weiter. Zwischenzeitlich werde das Angebot von WikiWolves bekannter und es haben sich auch schon einzelne Freundschaften zwischen den WikiWolves-Freiwilligen und den Nutztierhaltern entwickelt. Das Angebot stieß bei den anwesenden Nutztierhaltern auf reges Interesse und ein Teilnehmer bemerkte, dass das Engagement von WikiWolves eine tolle und ehrenwerte Sache sei. Am Ende des Seminars hat ein zunächst sehr skeptischer Nutztierhalter geäußert: „Ich stelle erstaunt und erfreut fest, dass es unter den Wolfsfreunden tatsächlich Leute gibt, die sich ernsthaft mit den Sorgen und Nöten der Weidetierhalter beschäftigen und nach Lösungen suchen. Da macht mir meine tägliche Arbeit gleich wieder mehr Spaß!“ „Eine deutlichere Bestätigung für Sinn und Erfolg dieses Zaunseminars kann es kaum geben“, wie Dr. Herold anmerkte.
Wie ein Elektrozaun, der den derzeit besten Schutz gegen Wölfe darstellt, beschaffen sein muss, damit er richtig funktioniert, erklärte Siegbert Lamparter, Gebietsleiter Baden-Württemberg des Zaunmaterialherstellers Patura KG aus St. Johann, Landkreis Reutlingen, der Zuhörerschaft. „95% aller Elektrozäune funktionieren nicht!“, so seine Einschätzung. Und halten damit auch den Wolf nicht draußen. Dabei erklärte er anschaulich, dass es nicht nur auf das richtige Weidezaungerät ankomme, wie viele meinten, sondern die Litzenqualität entscheidend sei, ebenso die Erdung. Mindestens drei ein Meter lange, verzinkte Erdstäbe werden üblicherweise benötigt und nicht ein kleiner „Kreiselheuerzinken“, wie er es manchmal schon gesehen hat. Bei den Litzen gibt es große Unterschiede, so leiten einfache Litzen bei 8000 V nach drei Kilometer nur noch 100 V, während sehr gute Litzen auch noch nach drei Kilometern Zaunlänge auf 6600 Volt kommen und damit die Hütesicherheit wahren. Auch werden Litzen oft geknotet oder gewickelt, statt geschraubt bzw. mit Klemmen zusammengehalten und haben damit keine gute Verbindung. Stacheldraht unter Strom zu setzen sei in Deutschland verboten, ebenso das Einsetzen von zwei Geräten an ein und derselben Weide …, das habe er aber alles schon in der Praxis gesehen. Zu der Frage, ob man denn solch lange Erdstäbe überhaupt in den Boden auf der Schwäbischen Alb eingeschlagen bekomme, erwiderte er „Geht nicht, gibt’s nicht!“. Er bringe jeden Stab rein, ob er wieder rauskäme, sei eine andere Frage. Derzeit arbeite die Firma Patura an einem Werkzeug, mit dem man lange Erdstäbe leichter wieder aus schwierigem Gelände entfernen könne.
Nach viel Theorie ging es auf den Bioland-Betrieb Kuhnweiler Hof nach Großerlach zum Praxistraining. Dort wurde unter Anleitung von Siegbert Lamparter ein Teil eines Elektrozauns gebaut. Anschließend wurde gezeigt, wie man die Funktionsfähigkeit testen kann. Dritter Teil war die Fehlersuche an einem bestehenden Weidezaun. Es zeigte sich, dass sich winzige Metalldrähte aus der untersten Litze gelöst hatten und den Strom ins Gras abführten, wodurch die Leistung des Zaunes stark litt. Auch die Verbesserung der Stromwirkung bei Geflügelnetzen wurde erklärt.
Insgesamt war es eine intensive, lehr- und abwechslungsreiche Veranstaltung mit sehr guten Referenten. Es blieb auch immer Zeit, Fragen zu stellen und sich auszutauschen. Besonders die Vorstellungsrunde zu Anfang war interessant und zeigte, dass doch auch etliche Nutztierhalter der Einladung gefolgt waren und sich weiterbilden wollten. Der Austausch zwischen Nutztierhaltern, Vertretern von Umweltverbänden und den „Wolfsschützern“, war konstruktiv und harmonisch, oft freundschaftlich und von dem gemeinsamen Interesse geprägt, Nutztierweidehaltung trotz Wolf zukunftsfähig zu halten. Dieses Seminar soll nach dem erfolgreichen Start, bei dem es mit 23 Teilnehmern fast ausgebucht war, in anderen Regionen Baden-Württembergs und Deutschlands in ähnlicher Form angeboten werden. Dazu ist die Kooperation mit weiteren Verbänden angedacht und auch die Praxisphase am Nachmittag soll noch erweitert werden, sodass jeder der möchte, praktische Übungseinheiten einlegen kann. Es zeigte sich, dass auch erfahrene Nutztierhalter, die schon Jahrzehnte Elektrozäune bauen, bei diesem Seminar noch etwas dazulernen konnten. Um wolfsabweisend zu zäunen, darf man sich keine Fehler leisten. Das Seminar hat mit großer Wissensvermittlung dazu beigetragen.
Autor: Andrea Klemer
Weiterführende Infos zu Wolf & Herdenschutz
Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. (GzSdW) www.gzsdw.de
WikiWolves Ehrenamtlicher Wolfsschutz: www.wikiwolves.org
Patura KG, Zäune zur Wolfsabwehr: www.patura.com/App/WebObjects/XSeMIPSPatura.woa/cms/page/locale.deDE/pid.102.921.1160/Wolfsabwehr.html
Wolfsmonitoring: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) https://forum-grossraubtiere.wildtiere-bw.de/
NABU Baden-Württemberg e.V.: gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Landesschafzuchtverband: https://baden-wuerttemberg.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/Herdenschutz/index.html