Die Forderungen und damit Diskussion um die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes flammen immer wieder auf (u.a. Landkreis Neuwied, 2022; BauernZeitung, 2022; MDR Sachsen-Anhalt, 2022), besonders dann, wenn es zu vermehrten Übergriffen auf Nutztiere kommt (topagrar, 2016). Das der Schlüssel zur Reduzierung solcher Angriffe in präventiven Herdenschutzmaßnahmen liegt, wurde bereits durch verschiedene Institutionen (LfU, 2022; DBBW, 2022) und wissenschaftliche Studien (Mayer et al., 2022) belegt.
Die VFD Arbeitsgruppe Herdenschutz hat sich ausführlich mit den aktuellen Debatten um den Schutzstatus des Wolfes auf europäischer und nationaler Ebene befasst und die entsprechenden Dokumente durchgearbeitet. Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte zusammengefasst dargestellt und die Forderungen der VFD zum Herdenschutz nochmals explizit herausgestellt.
1. Resolution zum „Schutz der Viehwirtschaft und der Großraubtiere in Europa“ durch EU-Parlament angenommen.
Die Resolution vom 24. November 2022 bezieht sich im Schwerpunkt auf die Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH) und bestätigt ihre Richtigkeit, stellt aber auch heraus, dass es verstärkter Anstrengungen zu einem wissenschaftlich basierten, länderübergreifenden Monitoring bedarf um den Schutzstatus des Wolfes qualifiziert beurteilen zu können. Darüber hinaus fordert das EU-Parlament, dass Präventionsmaßnahmen, die in vielen Regionen eine Herausforderung sein können, umfassend gefördert und weiterentwickelt werden müssen. Um diesen Forderungen gerecht zu werden, müssten die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten die finanziellen Anstrengungen erhöhen. Die Resolution wurde mit 306 Ja-Stimmen (52%) im EU-Parlament angenommen.
Die verabschiedete Resolution zeigt, dass weitere Aufklärung und einheitliche Monitoringstandards und Rissstatistiken notwendig sind, um den Schutz der Weidetiere vor Angriffen durch Wölfe zu verbessern.
2. Berner Konvention lehnt Änderung des Schutzstatus des Wolfes ab.
Zum Zeitpunkt der Resolution, mit der Forderung den Schutzstatus des Wolfes zu prüfen, war bereits mit Beschluss des EU-Rates vom 14.10.2022 entschieden worden, eine Herabstufung des Schutzniveaus für den Wolf abzulehnen. Diese Entscheidung wurde auf Basis eines aktuellen Gutachtens des IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, deutsch Internationale Union zur Bewahrung der Natur) getroffen.
Damit wurde der bereits 2018 eingereichte Antrag der Schweiz auf Statusänderung am 29. November 2022 vom Ständigen Ausschuss der Berner Konvention abgelehnt.
3. Ursula von der Leyen verweist auf die bestehenden Ausnahmen der FFH-Richtlinie.
Mit Ihrer Antwort vom 25.11.2022 hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf ein Schreiben der Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP) vom 06.10.2022 reagiert und Verständnis für deren Fragen zu Schutz des Wolfes bekundet. Des Weiteren bestätigt Sie die Resolution vom 24.11.2022.
Besonders ausführlich weist Sie auf die bereits bestehenden Ausnahmen der FFH-Richtlinien (Art. 16) hin und darauf, dass die Kommission keinen Einfluss auf die Anwendung richtlinienkonformer Ausnahmen nimmt.
4. Die Bundesregierung plant keine Überprüfung und Anpassung des Schutzstatus des Wolfes.
In ihrer Antwort (20/4640) auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/4451) vom November 2022 weist die Bundesregierung darauf hin, dass entsprechend der FFH-Richtlinie der Wolf in Deutschland eine streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse sei. Dabei bezieht sich die Bundesregierung auf eine frühere Antwort vom Januar 2021 (19/25695) auf eine FDP-Anfrage zu steigenden Wolfszahlen vom November 2020 (19/24771). Eine Überprüfung und Anpassung des Schutzstatus in Abhängigkeit von der Populationsentwicklung sei in der FFH-Richtlinie grundsätzlich nicht vorgesehen. Die FFH-Richtlinie sehe auch für Arten in einem günstigen Erhaltungszustand weiterhin Schutzmaßnahmen vor.
Die VFD fordert daher weiterhin:
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Problematische Wölfe sollen nach geltender Rechtslage per Ausnahmegenehmigung getötet werden, wenn sie ordnungsgemäße Herdenschutzmaßnahmen überwinden. Die Länder müssen dafür die in den Richtlinien geforderten Voraussetzungen schaffen.
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Es braucht mehr professionelle Herdenschutzberatung in den Ländern sowie Zugang zu Erfahrungsberichten. Das neu eingerichtete, für den Herdenschutz zuständiges Bundeszentrum Weidetier und Wolf (BZWW) muss finanziell und personell angemessen ausgestattet und in bestehende Strukturen des Wolfsmanagements der Länder eingebunden werden.
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Alle rechtlich möglichen Fördermöglichkeiten, einschließlich der durch die EU bereitgestellten Mittel, müssen durch Bund und Länder ausgeschöpft werden. Dies schließt zusätzlich zu den Materialkosten auch den Arbeitsaufwand für Herdenschutz sowie die laufenden Kosten ein. Die Beantragung von Fördergeldern für Herdenschutz muss vereinfacht und die Bearbeitung der Anträge beschleunigt werden.
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Benötigt wird eine bundesweit einheitliche Statistik über Rissereignisse an Weidetieren mit Angaben zum Zustand des Herdenschutzes für eine objektive Bewertung der Schadensfälle und eine bessere Vergleichbarkeit.
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Die wirtschaftliche Situation der Weidetierhaltenden muss nachhaltig verbessert werden. Die sogenannten Ökosystemdienstleistungen, also die für unsere Umwelt und Gesellschaft besonderen wertvollen MEHRleistungen der Weidetierhaltenden, müssen dargestellt und berücksichtigt werden.
Referenzen:
DBBW - Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (2022): Wolfsverursachte Schäden, Präventions- und Ausgleichszahlungen in Deutschland 2021. 41 S.
LfU - Landesamt für Umwelt Brandenburg (2020): Gemeldete Nutztierschäden und Rissstatistik im Land Brandenburg. Nutztierrisse | Startseite | LfU (brandenburg.de) (Tag des Zugriffs: 15.12.2022)
Mayer, M., Olsen, K., Schulz, B., Matzen, J., Nowak, C., Thomsen, PF., Hansen, MM., Vedel-Smith, C., Sunde, P. (2022): Occurrence and Livestock Depredation Patterns by Wolves in Highly Cultivated Landscapes. Front. Ecol. Evol. 10:783027.