In einer aktuell veröffentlichten Langzeitstudie, wurden zwischen Januar 2015 bis Juli 2022 Beobachtungen von 13 Reitpferden (Stuten und Wallachen) durchgeführt, die dauerhaft auf zwei Weiden in der Reichweite von Wildtieren und einem stabilen Wolfsrudel mit jährlichem Nachwuchs gehalten wurden. Wildtierkameras an den Zäunen der Weiden machten 984 Mal Aufnahmen von Wölfen und 3151 Mal Aufnahmen von Wildtieren in und um die Weiden.
Zwischen dem 1. Januar 2022 und dem 23. März 2022 wurde das Verhalten der Pferde bei Anwesenheit von Wölfen in zwei Pferdegruppen anhand eines Beobachtungsprotokolls dokumentiert. Die erste Weide wurde von fünf Pferden gemischter Rasse beweidet, vier Stuten und einem Wallach, mit einem Durchschnittsalter von acht Jahren. Auf der zweiten Koppel weideten acht schwere Warmblüter und Zugpferde, drei Stuten und fünf Wallache, mit einem Durchschnittsalter von 16 Jahren. Während dieses Zeitraums wurde auf der zweiten Weide kein Wolf, aber mehrmals Wildschweine registriert, während auf der ersten Weide 89 Mal Wölfe und bei den Wildtieren hauptsächlich Hasen registriert wurden.
Möglicherweise haben die Wölfe die zweite Weide wegen der Anwesenheit von Wildschweinen gemieden oder weil die große Gruppe ältere, schwerrassiger Pferde mit einer stabil, schützenden Gruppe bildete. Letzteres muss durch eine weitere Feldbeobachtung bestätigt werden, bei der das Verhalten der Pferde gegenüber Raubtieren und Indikatoren für ihr Wohlbefinden erfasst werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wölfe die ausgewachsenen Pferde auf Weiden mit reichlich Wildtieren nicht angriffen und die Pferde auf die Anwesenheit von Wölfen nicht mit sichtbaren Anzeichen von vermindertem Wohlbefinden oder Panik reagierten. Dies deutet darauf hin, dass Wölfe es vorziehen, leicht zugängliche Wildtiere in der Nähe von und auf Pferdeweiden zu erbeuten, und dass mitteleuropäische Pferde sich an die Anwesenheit von nicht jagenden Wölfen gewöhnen.
Krueger K, Gruentjens T, Hempel E (2023) Wolf contact in horses at permanent pasture in Germany. PLoS ONE 18(8): e0289767 LINK
Siehe dazu auch den Kommentar von CAVALLO-Chefredakteurin Linda Krüger zum CVALLO-Artikel über die Studie „Pferd und Wolf“
Dass beim Thema Wolf die Emotionen hochkochen und Pferdebesitzer Angst um ihre Vierbeiner haben, kann ich persönlich absolut verstehen. Nicht auszudenken, wenn meine Pferde angegriffen würden – von Menschen oder Tieren! Aber aus Sorge den Kopf zu verlieren, radikal statt rational zu reagieren, ist für mich kein Weg, der Hilfe verspricht. Weder die Studienergebnisse noch wir verharmlosen etwas. Zur sachlichen Diskussion leistet die Untersuchung einen Beitrag. Und das ist mir als Pferdebesitzerin und CAVALLO-Chefredakteurin wichtig – und kein Grund, sich zu schämen. Quelle: CAVALLO-MAGAZIN