Nächtliche Pferdeentführung ging glimpflich ab – Anzeigen gegen Teenager, die die Pferde von einer Koppel geholt haben
Freundinnen, mit denen man Pferde stehlen kann: Die Redewendung haben einige Mädchen wörtlich genommen. Mitten in der Nacht haben sie neulich von einer Koppel zwei Pferde entführt, sind mit den Tieren kilometerweit durch die Nacht gelaufen und geritten, haben dabei sich selbst, die Pferde und alle Verkehrsteilnehmer gefährdet. Dummemädchenstreich, jugendlicher Leichtsinn oder dreiste Straftat?

Von Peter Wark            

AUENWALD. Die beiden Besitzerinnen der Vierbeiner machen den Vorfall nun öffentlich. Die Polizei bestätigte ihn auf Anfrage. Demnach handelt es sich um mehrere Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren und den Freund eines der Mädchen, die in einer Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Anfang August mit den Pferden erwischt worden waren. Pferdekundiger Anwohner wusste, was zu tun ist
Auf drei der Teenager kommen wahrscheinlich Strafanzeigen wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs zu. Zwei der Beschuldigten sollen eine besonders aktive Rolle bei dem zweifelhaften tierischen Vergnügen eingenommen haben. Die Mädchen haben die Tiere nachts von der mit einem Elektrozaun gesicherten Koppel in Lippoldsweiler geführt. Anschließend haben sie sich mit den beiden Pferden, nur mit Stallhalfter und Führstricken gesichert, ohne Licht und ohne Warnwesten durch die dunkle Nacht auf den Weg erst nach Oberweissach und dann weiter nach Cottenweiler gemacht.
Sie müssen sowohl mit den Örtlichkeiten vertraut sein als auch über Reiterfahrung verfügen, sagt Besitzerin Andrea Irsigler. Gezielt hätten sie sich die beiden besten der derzeit fünf Pferde ausgesucht, die Araberstute „Tami“ und den Friesen-Tinker-Mix „Nero“. Beide Vierbeiner sind überaus brav, berichtet die Besitzerin und der Besucher auf der Koppel kann diesen Eindruck nur teilen. Überhaupt sieht hier drei Wochen nach dem Vorfall alles nach ländlicher Idylle aus. Die Koppel liegt schön in der spätsommerlichen Sonne, die Tiere auf dem Gelände machen einen umsorgten Eindruck und wirken auf den Laien alles andere als gestresst. „Die würden wahrscheinlich mit jedem mitgehen“, sagt die Tierhalterin über Tami und Nero. „Gott sei Dank“ seien die beiden Pferde ausgesprochen ruhig und unaufgeregt.
Ein Anwohner, von Beruf Polizeibeamter, war gegen 1.30 Uhr auf das lautstarke Treiben aufmerksam geworden. Er hatte die Teenager angesprochen, seine Kollegen verständigt und sich um die Tiere gekümmert. Großer Zufall und großes Glück: Der Mann kennt sich mit Pferden aus und wusste, was zu tun ist, damit die Tiere nicht sich selbst überlassen bleiben oder womöglich blindlings auf die Straße rennen. So ging die ganze Sache gut aus, die Hufträger sind wieder auf der heimischen Koppel und in Obhut ihrer Besitzerinnen.
Wie genau die Jugendlichen es geschafft haben, die Tiere von der gesicherten Koppel zu holen, ist noch nicht ganz klar. Offenbar war die Aktion keine spontane Idee, sondern geplant. Es sehe so aus, als hätten die Mädchen sich gezielt zu der Pferdeentführung verabredet, bestätigt auch Polizeisprecher Ronald Krötz auf Anfrage. Irsigler geht davon aus, dass zumindest einige der beteiligten Jugendlichen nicht zum ersten Mal auf ihr Gelände eingedrungen sind. Mindestens eines der beteiligten Mädchen soll anschließend auf Facebook mit der Tat geprahlt haben, wurde den Pferdebesitzerinnen zugetragen. Elektrozäune und Schilder, auf denen das Betreten des Privatgeländes untersagt wird: „Wie sollen wir unsere Tiere denn noch sichern?“, fragt Andrea Irsigler. Die Pferde nachts in die abgeschlossene Box zu sperren, komme nicht infrage. Das wolle sie den Tieren nicht antun, die sie als Lebewesen und Partner und nicht als Sportgeräte wahrnehme und behandle.
Was machen Teenager morgens um halb zwei auf der Straße, fragen sich die beiden Besitzerinnen der Rösser. Haben die Eltern eine Ahnung davon, was ihre Kinder da treiben? Wie dreist muss man sein, um nachts einfach auf ein gesichertes fremdes Grundstück einzudringen? Diese Fragen bewegen Andrea Irsigler und Carmen Lancelotti. Irsigler deutet an, dass sie mit der Mutter eines der Mädchen geredet habe und dort auf wenig Verständnis gestoßen sei: „Auf eine Entschuldigung warten wir noch heute.“
Von Jugendlichen in einem gewissen Alter sollte man ein Minimum an Vernunft und Verantwortungsbewusstsein erwarten dürfen, sagen die passionierten Tierliebhaberinnen. Hätten die Pferde unterwegs etwas Falsches gefressen, hätte es schnell zu Koliken kommen können. Für Tami war der Ausflug zudem möglicherweise recht schmerzhaft, denn sie leidet an einer Hufverletzung.
„Auf eine Entschuldigung warten wir bis heute“
Daran, was alles hätte passieren können, mögen die Pferdehalterinnen gar nicht denken. Man stelle sich nur einmal vor: Ein Auto kollidiert in der Dunkelheit mit einem 600 Kilogramm schweren Pferd. Irsigler erinnert an einen Fall aus Thüringen. Entlaufene Pferde rannten auf die Autobahn9 und verursachten einen Unfall mit einem Toten und drei Schwerverletzten. Alle sechs Tiere kamen dabei ums Leben.
Bei allem Verständnis für jugendlichen Übermut hofft Andrea Irsigler, dass die jungen Leute einen Denkzettel bekommen und reflektieren, was sie getan haben. „Ich hoffe, dass eine Reaktion folgt und der Staatsanwalt das nicht einfach unter den Tisch fallen lässt“, sagt sie.
Quellenbezeichnung: Backnanger Kreiszeitung  30.8.2012

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