Tierärzte und Pferdehalter beobachten zunehmend Resistenzen im Kampf gegen Endoparasiten. Ende November hat der Veterinär Dr. Marcus Menzel auf dem VfD-Kompetenzseminar im Barockreitzentrum Heimsheim mit der Strategie der selektiven Entwurmung seine Antwort auf die Problematik vorgestellt.
Darmparasiten gehören im Prinzip wie Schweif und Mähne zum Pferd. Doch nicht bei allen Pferden stellt sich eine immunologische Balance ein, was nichts anderes bedeutet, als dass die Tiere mit gesundheitlich tolerierbaren Wurmbürden leben könnten, so Menzel. Wurde mit der Entwurmung früher vor allem auf die großen Strongyliden (Strongylus vulgaris ) abgezielt – seit 1961 auch mit einfach zu verabreichenden Pasten – machen heute vor allem die kleinen Strongyliden Probleme. Laut Menzel seien die großen Strongyliden hier so gut wie ausgestorben und nur noch bei Importpferden aus Süd-/Osteuropa oder in Beständen, in denen Tiere aus der Region stehen, anzutreffen. Dennoch seien die Probleme durch sie in den Köpfen der Tierärzte präsent ein gutes Werbeargument der Pharmaindustrie. Dagegen führten kleine Strongyliden mit immerhin 50 bekannten Spezies nur bei einem massenhaften Befall zu gesundheitlichen Problemen. Für Menzel ist aufgrund seiner mehrjährigen Forschungsarbeit an der Ludwig-Maximilian-Universität München und als Pferdepraktiker die Vorstellung von einem parasitenfreien Pferd nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr gehe es darum zu fragen, ab welcher Befallsintensität ein Eingreifen durch Entwurmungsmaßnahmen notwendig ist. Bereits 1971 veröffentlicht der Parasitologe Crofton seine Beobachtungen in Herden unter dem Begriff „Overdispersion“ wonach ein fester Anteil von rund 70 Prozent (%) der Tiere nur wenige Parasiten aufweist oder unter einer behandlungsrelevanten Schwelle liegt. Lediglich ein Anteil von 25 - 30 % innerhalb eines Pferdebestandes benötige regelmäßig eine Wurmkur mit ausgewählten Präparaten konnte auch Menzel in seiner Forschungsarbeit im Rahmen seiner Dissertation bestätigen. Die extremen Eiausscheider müssten jedoch über regelmäßige Kotproben aufgespürt werden. Diese dienten gleichzeitig auch dem Nachweis über die Wirksamkeit des eingesetzten Präparates da sich die Resistenzsituation vor allem bei kleinen Strongyliden und Spulwürmern zunehmend verschärfe. Der Schwellenwert liegt bei kleinen Strongyliden bei 200 Eiern pro Gramm Kot (EpG), bei Spulwürmern ein oder mehr EpG. Bei Bandwürmern und allen anderen relevanten Pferdeparasiten muss bei einem positiven Befund grundsätzlich und dann der gesamte Bestand behandelt werden. Bei hohen Dauerausscheidern müssten die wirksamen Präparate entsprechend ihrer spezifischen Egg Reappearence Periode (ERP) regelmäßig angewendet werden. Dies sei bei der bislang vorherrschenden strategischen Entwurmungspraxis viermal im Jahr bei den meisten Wirkstoffen aber nicht gegeben.
Noch herrscht die sogenannte strategische Entwurmung in den meisten Pferdeställen vor. Drei- bis viermal jährlich bekommen die Pferde dabei ohne genaue Kenntnis des Parasitenbefalls und ohne anschließende Erfolgskontrolle oft wechselnde Präparate gegen ihre Mitbewohner im Darm. Dabei wisse man heute, dass der Wirkstoffwechsel Resistenzen nicht zwingend verhindere und das Verfahren aus arzneimittelrechtlicher Sicht bedenklich ist.
Die selektive Entwurmung basiert auf der Identifikation und zielgerichteten Behandlung befallener Einzeltiere (hohe Eiausscheider bei kleinen Strongyliden) oder Herden. Im ersten Untersuchungsjahr, dem sogenannten Kategorisierungsjahr werden von jedem Einzeltier vier Monitoring-Proben untersucht, von denen die erste das kombinierte Sedimentations-Flotations-Verfahren und das modifizierte McMaster, alle weiteren nur McMaster umfassen. Ergänzt wird die erste Untersuchung durch die Larvenanzucht von Strongylus vulgaris. „Lassen sie sich von ihrem Labor nicht mit der Auskunft positiv oder negativ abspeisen“, rät Menzel. Auf den Untersuchungsprotokollen sollten ganz klar stehen, welcher Parasit untersucht und wieviel Eier ausgezählt wurden. Außer für die Larvenanzucht dürften keine Sammelkotproben verwendet werden und für ein aussagefähiges Ergebnis dürfte der Kot – rund 40 Gramm je Probe – nicht älter als sechs Stunden vor dem Versand sein. Lediglich bei der gezielten Untersuchung auf Bandwürmer, die unregelmäßig Eier ausscheiden, sollte der Kot über drei Tage gesammelt werden. In diesem Zeitraum würden bei anderen Parasiten jedoch schon Larven auswandern und zu einem falsch negativen Ergebnis führen. Deswegen sei es auch sinnvoll, Kotproben am Wochenanfang zu verschicken.
Nach dem Kategorisierungsjahr würden die Tiere in drei Gruppen unterteilt: Tiere die bei jeder Kotprobe weniger als 200 EpG hatten werden im ersten Folgejahr zwei bis dreimal mit McMaster beprobt, Tier die zweimal über 200 EpG aufgewiesen hätten, würden wie die hohen Eiausscheider erneut viermal beprobt und nach Bedarf behandelt. Hohe Eiausscheider werden das ganze Jahr über kontinuierlich entwurmt. „In der selektiven Entwurmung gibt es einen wichtigen Grundsatz“, erklärt Dr. Marcus Menzel: „Sie ist nicht gegen eine anthelmintische Behandlung (Entwurmung Anm. d. Red.) gerichtet aber sie ist gegen jede unnötige anthelmintische Behandlung.“ Das Verfahren entspreche den Grundsätzen der Evidence based Veterinary Medicine die auf Untersuchung, Diagnose, einer parasitologischen Befundgrundlage mit nachfolgender Therapie, wo es notwendig erscheint und der abschließenden Kontrolle des Behandlungserfolges. Für den Tierarzt ist aus haftungsrechtlicher Sicht die forensische Sicherheit eines Verfahrens wichtig, wie sie bei der selektiven Entwurmung gegeben ist.
Weitere Informationen: www.selektive-entwurmung.com
Text und Bilder: Ulrike Amler