Backgrounds
In Deutschland gibt es aktuell 1,1 Mio. Pferde, 1,7 Mio. Reiter und 11 Mio. Pferdefreunde
(Familienangehörige, Freunde Bekannte) und 300.000 Arbeitnehmer, welche von der Pferdewirtschaft
leben.
1,5% der Reiter üben den Sport (semi-)professionell aus
95% der Reiter sind sogn. Freizeitreiter,
85% der Reiter sind unter 21.
Das heutige Standard-Freizeitpferd kostet zwischen 2.000 und 2.500 €. Neben dem Markt für Sportund Freizeitpferde hat sich mittlerweile allerdings auch ein sehr großer Sekundärmarkt von
eingeschränkt nutzbaren Pferden entwickelt. Diese Tiere sind durch falsche Haltung, Erkrankungen,
Reiterfehler und Unfälle nur noch eingeschränkt nutzbar. Oft wird versucht, für diese Pferde einen
Platz zum Leben ohne dauerhafte und nur mit leichter gelegentlicher Belastung zu finden oder (sog.
Beistellpferde). Diese sind für 0 bis ca 500 € zu erwerben.
Bis zu 750 € hat der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) ausgerechnet, könne man pro
Jahr und Pferd als Steuer verlangen. Der gleiche HSGB hat eruiert, dass erst ab 145 € Hundesteuer
p.A. das emotionale Band zwischen Halter und Tier zerbreche. Die Kommune könne daher bis zu
dieser Grenze erhöhen. Dieses Beispiel ist selbstredend.
Der Bund hat sich der besonderen Förderung des Sportes verschrieben. Die Beisteuerung eines
Pferdes entspricht einer Besteuerung eines Sportgeräts. So, wie der Fussballer einen Fussball zur
Ausübung seines Sports benötigt, benötigt der Reiter ein Pferd.
Pferde können über 30 Jahre alt werden. Ihre Nutzung ist auf ca. 20 Jahre beschränkt. Eine weitere
Dekade wird das Pferd also als sogn. Gnadenbrotpferd ohne Nutzung gehalten (siehe Beisteller).
Pferde, welche nicht mehr im Sport eingesetzt werden können (Einschränkung, Alter), werden als sog.
Beisteller genutzt. Pferde können und dürfen nicht einzeln gehalten werden. Es sind Herdentiere. Das
Beistellpferd sorg in einer Gruppe für Stabilität und Ausgeglichenheit, wenn einzelne Tiere zum Reiten
oder auch länger wie z.B. für Ausbildungslehgänge oder Kliniksaufenthalte die Herde verlassen
müssen. Man kann sie deshalb nicht einfach "abschaffen" um die Kosten der Pferdesteuer zu
reduzieren.
Die Reiterei – befördert durch den Preisverfall – hat sich in den letzten 20 Jahren vom elitären Sport
zum Breitensport gewandelt hat.
Die Haltung eines Großtieres ist kosten- und zeitaufwändig. Pferdeleute schränken sich erheblich ein,
um ihr Hobby finanzieren zu können. Sie verzichten auf Urlaub, reduzieren ihre Lebenshaltungskosten
und fahren PKWs, welche weit über dem Durchschnittsalter der Standard-Familie liegt.
Bei einer veranschlagten Steuer von 200 €/Jahr (bzw 90 €/Jahr in Kirchheim) versteht die
Öffentlichkeit oft nicht die heftige Gegenwehr der Reiter. ABER:
1. bleibt es jemals bei einem veranschlagten Steuersatz, oder wird er nicht standardmäßig
ständig erhöht? Wurde jemals eine Steuer wieder gesenkt oder abgeschafft?
2. der Einzel-Pferd-Besitzer ist flexibel und kann den Stall wechseln in die nächste
pferdesteuerfreie Gemeinde (was er auch tun wird)
3. der Besitzer mehrerer Pferde ist meist durch den Besitz einer Immobilie oder eines Stalls
ortsgebunden. Hier sind es eben nicht 200 €/Jahr resp. 16,60 €/Monat zusätzlicher
Steueraufwand. Mehrere Gnadenpferde und zusätzlich reitbare Tiere für ein oder mehrere
Familienmitglieder sowie eine Hobbyzucht können dies rasch um das 3- bis 10fache
multiplizieren.
4. Pensionsbetriebe mit oder ohne angegliederte Reitschule finanzieren sich ausschließlich über
die Einsteller, die sofort den Stall wechseln, wenn eine Pferdesteuer droht. Der
Pensionsbetrieb kann nicht mehr existieren.
Oft erwirbt eine Pferdefamilie ein renovierungsbedürftiges Fachwerkhaus und saniert in Eigenleistung.
Die Pferde werden auf dem eigenen Grund gehalten. Die Familie hat Kinder und einen Hund. Sie
verzichtet auf Urlaub und Luxus. Die zurzeit „üblichen“ Steuerrunden treffen diese Familie gleich mehrfach. Grundsteuer, Gewerbesteuer, Hundesteuer, Kita-Gebühren, Pferdesteuer. Den größten
Anteil an diesen Erhöhungen hat bei dieser Familie die Pferdesteuer.
Viele Landwirte haben sich ein weiteres Standbein mit einer Pferdepension geschaffen. Die Einstellund Futterkosten variieren je nach Region. In der ländlichen Region kann man von 150 bis 250 € je
Monat und Pferd ausgehen. In Richtung Rhein-Main steigen die Kosten auf bis zu 360 €.
Ein Reitlehrer wird mit 900 € vergütet. Um auf einem Pferdehof arbeiten zu dürfen, benötigt man
zusätzlich einen „echten“ Job.
Den sozial schwachen Schichten erschloss sich durch die moderaten Preise die Möglichkeit in den
ehem. elitären Sport einzusteigen. Auch einem Sozialhilfeempfänger ist es heute möglich sein Kind
eine wöchentliche Reitstunde zu ermöglichen.
Der Bund verankerte eine Schuldenbremse in der Verfassung. Die Länder folgten diesem Beispiel. Die
Schuldenbremse verlangt – vereinfacht zusammengefasst – nur das auszugeben, was man
eingenommen hat – einen ausgeglichenen Haushalt. Die Kommunen gaben allerdings weiter Geld
aus und zwangen die Länder zum Ausgleich. Sie verwiesen auf die kommunale Selbstverwaltung. In
Hessen wurde Anfang des Jahres die Gesetzgebung angepasst und der Verschwendung ein Riegel
vorgeschoben.
Um seine Kommunen zu entschulden und ihnen Haushaltsdisziplin aufzuerlegen, legte das Land
Hessen das „Schutzschirmgesetz“ auf. Bis zu 46% der Altschulden bis zum Jahre 2009 werden vom
Land übernommen. Im Gegenzug muss die Kommune bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt
vorweisen. Verstößt sie dagegen, kann das Land Maßnahmen zur Konsolidierung bestimmen.
Das Land Hessen gab zum Schutzschirm einen „Leitfaden“ heraus. Darin finden sich Empfehlungen
wie und wo konsolidiert werden kann. In den ersten Seiten wird explizit darauf hingewiesen, dass man
die Bürger einbinden und für Verständnis werben solle. Es sollen die politischen Gremien verkleinert
werden, interkommunal zusammen gearbeitet und auch die Leistungsfähigkeit einzelnen Gruppen
berücksichtigt werden, sozial kompetent konsolidiert werden. Es wird empfohlen defizitäre
Eigenbetriebe, wie Hallenbäder zu schließen und auch eine Pferdesteuer in Betracht zu ziehen. Der
HSGB lies dies in den Leitfaden einfügen. Die meisten Kommunen interpretierten diesen Leitfaden als
Wunschliste des Landes und nutzten ihn als Katalog zum Ankreuzen. Gremien verkleinern und die
Bürger einbinden überlesen die meisten. Aufgrund dieser Fehlinterpretationen zog das Land Hessen
den Leitfaden im Frühjahr mit offiziellem Rundschreiben vom Finanzministerium wieder zurück.
Viele Kommunen, die unter den Schutzschirm schlüpfen wollen, nutzen die letzte Gelegenheit vor dem
Zwang zu konsolidieren noch einmal für kräftige Investitionen. Die Stadt Lauterbach (Hessen) hat den
Umschuldungsbetrag des Landes i.H.v. 14,8 Mio. € beinahe vollständig in diesem Jahr ausgegeben.
Auch in Bad Sooden-Allendorf (die erste Gemeinde, die eine Pferdesteuer am 22.11.2012 beschloss)
zeigt sich deutlich Verschwendung von öffentlichen Geldern. So nutzte man das Geld aus dem
Konjunkturpaket II aus dem Jahr 2009 für die Sanierung eines Schwimmbades, statt es zu schließen,
um so weiterhin ein Minus von 500.000 € jährlich einzufahren. Diese Einmalzahlung nachhaltig zu
investieren war scheinbar keine Option.
In Lauterbach sollte ein Schuldenberg von runden 50 Mio. € mithilfe von 22.500 € an Ertrag aus einer
Pferdesteuer helfen und in Bad Sooden-Allendorf sollten 30.000 € nun bei schon 80 Mio. € helfen. In
nur 4.000 Jahren sind damit die Alt-Schulden getilgt.
Auf Bad Sooden-Allendorf entladen sich nun die Wut und die Verzweiflung der gesamten Pferdewelt.
Der Image- und der wirtschaftliche Schaden geht weit in die Millionen. Die erhofften Einnahmen von
30.000 € abzgl. der Verwaltungskosten i.H.v. 5000 € im jeden Jahr können den jetzt schon
eingetretenen Schaden in Jahrzehnten nicht mehr auffangen. Insbesondere nicht mit den
verbliebenen 40 Pferden im Ort. Statt geplanten 30.000 € Einnahmen aus der Pferdesteuer bleibt
abzüglich der Verwaltungskosten eine Einnahme von 3000 €. Kein Mensch kann ernsthaft der
Meinung sein, das wäre es wert gewesen.
Guido Schneider (Lauterbach)
Birgit Beyer (Feldatal) www.pferdesteuerfrei.de
November 2012/Mai 2013