von Fachbuchautorin Michaela MalucheUnabhängig von Reitweise, Pferderasse, sportlichen Zielen, Ausbildungsstand, Haltungsform oder sonstigen Unterschieden haben Reiter und Besitzer im Stall mindestens zwei Dinge gemeinsam: die Liebe zu den Pferden und denselben Austragungsort für das Hobby. Diese beiden Faktoren bestimmen die Zusammensetzung der Stallgemeinschaft. Menschen werden mehr oder weniger nach dem Zufallsprinzip Teil dieser Gemeinschaft: Frauen, Männer, Singles, Paare, Eltern, Jugendliche, verschiedene soziale Schichten und Charaktere. Da kann das „Zusammenleben“ schon mal schwierig sein …
Wo die Reiter-Gemeinschaft nicht homogen ist (und das ist häufig der Fall), kann es schon mal zu Spannungen kommen. Westernreiter treffen auf Englischreiter, Schulreiter auf Privatpferde-Besitzer, Freizeitreiter auf Turnierreiter, Anfänger auf Fortgeschrittene. Tuscheln, lästern, auslachen oder gar Anfeinden ist da leider keine Seltenheit. Das ist sehr schade, wo wir doch alle mit derselben Motivation in den Stall kommen, nämlich Ausgleich zum Berufs- oder Schul-Alltag zu finden und unsere Freizeit mit dem Pferd zu genießen. Diese Gemeinsamkeit sollte uns daher eigentlich eher zusammen bringen, oder?
Jede Stallgemeinschaft ist auch eine kleine soziale Gesellschaft. Toleranz, Rücksicht und Verständnis müssen daher auch hier eine wichtige Rolle spielen!
Beim Thema Reitanfänger zum Beispiel. Mal ehrlich: Wir sind doch alle nicht als Olympiasieger auf die Welt gekommen (und werden sie höchst wahrscheinlich auch nicht als solche verlassen). Wenn das Lenken oder Parieren bei einigen Reitern also noch nicht perfekt klappt, könnten die erfahreneren Rücksicht nehmen. Besonders schwierig kann es sein, wenn die Reitanlage Reitschüler und Einstaller unter einem Dach vereint und Stalltrakt oder Halle/Platz gemeinsam genutzt werden. Hier kann es zu Differenzen kommen, weil der Reitunterricht die Privatreiter stört, in Form von Lautstärke, vermindertem Platz, noch nicht so lenk- und regelsicheren Reitanfängern oder Longenstunden. Manchmal sind Halle oder Platz sogar zu bestimmten Zeiten den Reitschülern ausschließlich vorbehalten. Aber wenn man in einem Mischbetrieb steht, muß man sich mit solchen Gegebenheiten abfinden.
Unterschiedliche Reitweisen in einem Stall zu finden, sehe ich persönlich als Bereicherung an. Aber vielerorts klappt das Zusammenleben nicht.
„Westernreiter reiten ohne jegliche Regeln, lassen ihre Pferde immer unangebunden stehen, bremsen ohne Vorankündigung und trinken viel lieber Bier als zu reiten.“
“Dressurreiter bürsten ihre Pferde stundenlang auf Hochglanz, legen zu viel Wert auf Huffett und farblich abgestimmte Bandagen, Satteldecken etc.und halten sich häufig für etwas besseres.“
Ähnlich lautende Aussagen hört man schon mal. Aber nehmt einfach die Chance wahr, voneinander zu lernen, den Pferdewissens-Horizont zu erweitern sowie Schubladen-Denken und Vorurteile abzubauen. Und vielleicht hat man ja mehr Gemeinsamkeiten als man denkt…
Freizeitreiter und reine „Buschreiter“ werden ihre Pferde selten in Ställen unterbringen, in denen ambitionierte Turnierreiter zu finden sind. Reitbetriebe, Bedürfnisse, Anforderungen und Stallmieten unterscheiden sich bei den verschiedenen Einstaller-Zielgruppen. In einem Freizeitstall wird mehr Wert auf Weidemöglichkeit und Ausreitgelände gelegt, in einem Turnierstall dagegen werden ganzjährige Trainingsmöglichkeiten im Vordergrund stehen. Treffen die beiden Gruppen aber doch aufeinander, könnte es auch hier wegen manchmal verschiedener Grundeinstellungen zu Schwierigkeiten kommen.
Streitigkeiten gibt es auch oft wegen nicht ausreichend erzogenen Pferden. Bringt man fremde Pferde mit auf die Weide oder zurück in den Stall, sollten diese so erzogen sein, dass sie sich gut einfangen und brav führen lassen. Erziehung ist Aufgabe des Besitzers!
Großen Streß kann es geben, wenn ein Pferd ein anderes tritt und Tierarzt-Kosten im Spiel sind. Entstehen Verletzungen auf der Weide oder dem Paddock, zahlt die Haftpflichtversicherung des Verursachers in der Regel die Behandlung nicht. Hier sollte man gemeinsam eine Lösung finden, wenn sicher ist, wer der Verursacher ist.
Neben Problemen innerhalb der Gemeinschaft der Einstaller kann es auch zu Schwierigkeiten mit dem Stallbetreiber kommen. Diskussionsgründe könnten z.B. mangelnde Futterqualität, ungenügende Pflege des Reitbodens oder schlechter Service allgemein sein. Generell finde ich regelmäßige Stalltreffen mit allen Beteiligten sehr sinnvoll, bei dem wichtige Dinge offen angesprochen und besprochen werden können. Bei schwierigen Streitpunkten kann es zielführender sein, wenn zwei Personen als Sprecher der Gemeinschaft mit dem Stallbetreiber reden, um ihn nicht mit zu vielen Leuten „zu überfahren“.
Im Mittelpunkt der Stallgemeinschaft und aller Aktivitäten dort stehen die Pferde. Sie und wir wollen uns in der Stallgemeinschaft wohl fühlen. Das ist nur möglich, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt. Wenn man sich auch auf seine Mitmenschen verlassen kann. Wenn man bei Verlassen des Stalls einen Blick durch die Boxen oder über die Weide schweifen läßt und den Besitzer informiert, falls man eine Auffälligkeit bei einem Pferd bemerkt. Oder daß man selbst auch mal ein Kolikpferd führt, bis der Tierarzt kommt (wenn der Besitzer nicht erreichbar ist), Deckenschnallen festzieht oder Wasser nachfüllt. Dann funktioniert die Stallgemeinschaft und man kann sich auf seine Freizeit dort freuen. Gemeinsame Aktivitäten wie Grillabende oder ein Besuch von Turnieren, Messen oder Seminaren fördern die Gemeinschaft genauso wie ein gemeinsames Bierchen nach dem Reiten.
Weitere Informationen zu Michaela Maluche und ihren Aktivitäten sowie Veröffentlichungen gibt es unter http://www.pferdebesitzer.info.
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