Die Geländerittführerprüfung
(ein Bericht von Manfred Reiss , Landessportwart Rheinland-Pfalz, VFD Übungsleiter, Wanderrittführer und Prüfer)
Die Ausbildung in der VFD sieht in der Reihenfolge nach dem Geländereiter den Rittführerstatus vor. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Den Geländerittführer, der per Definitionem Reiter in Tagesritten in bekanntem Gelände führt, oder 2. den Wanderrittführer, der nachdem noch der Wanderreiter abgelegt wurde, Reiter in Mehrtagesritten in unbekanntem Gelände führen soll.
Sicher fragen sich manche von Euch, wie denn eine Prüfung zu diesen Ausbildungsstufen überhaupt aussieht und welche Anforderungen gestellt werden.
Ich möchte Euch daher an dieser Stelle einmal chronologisch den Ablauf einer Geländerittführerprüfung schildern, die ich am 17. und 18.07.2010 mit insgesamt fünf Prüflingen durchgeführt habe.
Nach dem Besuch eines Rittführerkurses unter der Leitung von Silke Dehe und Melanie Dietz hatten fünf der Kursteilnehmer bei mir als Landessportwart in Rheinland-Pfalz die Prüfung zum VFD Geländerittführer beantragt. Nachdem eine kurze Anfrage unter den Prüfern in Rheinland-Pfalz wohl aufgrund des Wunschtermins in den Sommerferien keine rechte Begeisterung hervorrief, beschloss ich, die Prüfung selbst durchzuführen.
Die Bandbreite der Qualifikation der Prüflinge kann im Übrigen sehr groß sein. An Rittführerkursen nehmen sowohl Reiter teil, die bisher noch keine Ritte geführt haben, sich aber sagen, dass es nicht schaden kann einen Kurs zu besuchen, statt aus Schaden klug zu werden als auch Reiter, die schon seit vielen Jahren Ritte führen, aber immer häufiger nach einem Schein gefragt werden, der ihre Qualifikation auch schriftlich darlegt und daher einen solchen Kurs besuchen.
Da pro Tag nur bis zu drei Geländerittführer geprüft werden dürfen, legte ich die Prüfung von zwei Kandidaten auf Samstag und den restlichen drei Prüflingen auf den Sonntag.
Normalerweise können Geländerittführer in bekanntem Gelände geprüft werden. Anforderungen wie die Routenerstellung und Orientierung in unbekanntem Gelände und die Organisation von Unterkünften für Pferd und Reiter werden erst in der Ausbildung zum Wanderrittführer verlangt.
Ich stellte daher den Prüflingen die Aufgabe die vorgeschriebenen Unterlagen für einen Ritt in Ihrer jeweiligen Reitumgebung zu erstellen. Ich möchte für die Prüfung eine Ausschreibung mit einer Beschreibung der Strecke, den interessanten Punkte und Sehenswürdigkeiten und mit allen rechtlichen Inhalten, die vor allem wichtig sind um den Rittführer von unnötiger Haftung zu befreien. Und schlussendlich noch eine Anmeldung für willige Teilnehmer sehen. Die Kopie einer Karte 1:25.000 mit eingezeichneter Strecke sollte ebenfalls dabei sein. Diese Unterlagen gingen mir ca. 14 Tage vor dem Prüfungstermin zu und wurden als vollständig und korrekt ausgeführt bewertet.
Die Prüflinge, die am aktuellen Übungsleiterlehrgang auf O Pica Pau teilnehmen, organisierten sich aus dem Umfeld des Hofes Mitreiter, damit die Gruppe an jedem Tag der Prüfung mindestens fünf Mitreiter, zzgl. des Prüfers zählte.
Am Abend des 16.7.2010 trafen die ersten drei Prüflinge auf O Pica Pau ein. Ich ließ die Prüflinge eine Strecke in die Karte einzeichnen innerhalb der jeder Prüfling für sich eine Teilstrecke von mindestens 8km festlegte. Ich erklärte den Prüflingen, dass ich als Prüfer kein Mitglied der Gruppe sein möchte. In Bezug auf Fehler jedoch genauso korrigiert werden will, wie alle anderen Mitreiter. Mit anderen Worten, ich möchte mich unabhängig von den Weisungen des Rittführers innerhalb oder um die Gruppe herum aufhalten, will aber gleichzeitig, dass ich absichtlich Fehler einbauen kann, um festzustellen, ob der Rittführer sie bemerkt.
Danach teilte ich die theoretischen Fragebögen aus, auf denen 30 Fragen gestellt werden, von denen für ein Bestehen 17 mit selbst formuliertem Text richtig beantwortet werden müssen. Dafür bekommen die Prüflinge eine Stunde Zeit.
Die Reitprüfung III war von einigen Prüflingen bereits abgelegt worden, andere wollten für diese gerne noch etwas üben und sie später ablegen. Da die RP III grundsätzlich unabhängig von der Geländeprüfung abgelegt werden kann, wurde dem entsprochen. Die Ausweise werden allerdings erst ausgehändigt, wenn ALLE Voraussetzungen dafür vorliegen.
8.10 Uhr
Nach dem Frühstück, als alle Teilnehmer eingetroffen waren, hielt, Anke, der erste Prüfling des Tages die Rittbesprechung ab.
Anke ist Lehrerin und hat einen recht autoritären Führungsstil. Sie unterrichtete die Mitreiter sehr ausführlich über Kommandos, Handzeichen und Ihre Erwartungen an die Disziplin der Rittteilnehmer. Leider vergaß sie nachzufragen, ob einer der Teilnehmer eine Krankheit oder gesundheitliche Besonderheiten aufweist, die dem Rittführer eventuelles außergewöhnliches Verhalten erklärt, bzw. in einer dadurch ausgelösten Notsituation ausdrücklich die Abgabe von Medikamenten an diesen Prüfling verlangen könnte. Die Nachfrage soll unbedingt mit dem Hinweis versehen werden, dass diese Information auch noch zu einem späteren Zeitpunkt an den Rittführer weitergegeben werden kann. Dies nur für den Fall, dass die betroffene Person sich schämt, ihre Krankheit oder Besonderheit vor der versammelten Mannschaft kundzutun. Am Schluss erklärte Anke noch das Verhalten im Straßenverkehr und wie wir vor dem Abreiten noch einen Kennenlern-Stern in der Halle bilden werden.
8.30 Uhr
Die Teilnehmer holten nun ihre Pferde und die beiden Prüflinge dieses Tages führten unter meiner Aufsicht die Reittauglichkeit durch. Alle Pferde werden ohne Sattel vorgeführt und von den klaren Augen, über die trockenen Nüstern, über den Rücken bis herunter zu den Beinen, Hufen und Beschlägen untersucht. Anschließend mussten die Reiter ihre Tiere vortraben, damit der Rittführer eventuelle Lahmheiten ausschließen kann. Das Festbinden der Tiere wurde vom jeweils anderen Rittführer kontrolliert, damit sie nicht zu hoch, zu tief oder auf andere Weise falsch angebunden wurden. Der erfahrene Rittführer kann schon über den Umgang der ihm unbekannten Reiter mit ihren Pferden in kürzester Zeit erkennen, welche Qualifikation die Reiter haben und Rückschlüsse darüber auf das weitere Verhalten in der Gruppe und das Reiten an sich, stimmen sehr häufig mit der Wirklichkeit überein. Dadurch hat er hier schon die Möglichkeit die schwierigen Kandidaten entsprechend zu platzieren, oder unter seine Fittiche zu nehmen. Dies kann man natürlich von unerfahrenen Rittführern zunächst noch nicht verlangen.
Nachdem dies zu aller Zufriedenheit abgeschlossen war, unternahm ich die Ausrüstungskontrolle des Rittführergepäcks. Alle notwendigen Dinge aus den Kategorien Beleuchtung und 1. Hilfe, sowie Gegenstände wie Säge, Handy, Messer/Tool, Decke, Notbeschlagswerkzeug, Schnüre zur Selbsthilfe, Seilzeug für Nothalfter oder eines Hochseils zum Anbinden der Pferde, usw. waren vorhanden. Das schwere Notbeschlagswerkzeug durfte von einem Rittführerprüfling zum nächsten bei der Übergabe mitgegeben werden und musste nur einmal vorhanden sein.
9.20 Uhr
Die Pferde wurden nun gesattelt und die Ausrüstung befestigt. Danach kontrollierte ich mit den Rittführern die Ausrüstung der Mitreiter und ihrer Pferde. In diesem Fall war alles OK. Es gab keine größeren Beanstandungen von den Rittführern und ich war auch zufrieden.
9.45 Uhr
Nach dem Aufsitzen, führten die Rittführer die Teilnehmer erst einmal in die Reithalle und ließen sie einen sogenannten Kennenlern-Stern bilden. Dabei stellen sich alle Pferde sternförmig und mit den Köpfen zueinander auf und das so nah, wie es ohne Reaktion der Pferde aufeinander möglich ist.
Danach richtet einer der Reiter nach dem anderen sein Pferd rückwärts aus dem Stern heraus, biegt nach einer Seite ab und umrundet den Stern außen in einem Abstand von ca. 2-3m von den Hinterteilen der stehenden Pferde. Der Sinn des Ganzen: An der Reaktion des laufenden Pferdes und der Pferde im Stern lassen sich von den Teilnehmern und vom Rittführer sehr gut eventuelle Animositäten zwischen den Pferden ablesen. Außerdem sieht der Rittführer am Handling der Reiter mit Ihren Pferden beim Rückwärtsrichten und dem Umrunden des Sterns schon erste und wichtige reiterliche Eigenschaften. Die daraus gewonnen Erkenntnisse fließen dann in die erste Reihenfolge beim Abreiten ein, die der Rittführer bestimmen kann.
10.10 Uhr
Jetzt konnte es endlich losgehen. Schon beim Verlassen des Hofes mussten wir eine relativ unübersichtliche Straße nach links überqueren. Das veranlasste Anke dazu uns einzeln hintereinander nach rechts abbiegen zu lassen und an einer Stelle mit mehr Übersicht auf das Kommando links um – Marsch gleichzeitig die Straßenseite wechseln zu lassen. Da sie das in der Besprechung ausführlich erklärt hatte, klappte es auch recht gut und wir hatten in zwei Sekunden die Straße überquert. Bis zum Einbiegen in den nächsten Feldweg waren es ca. 300 Meter. Logischerweise war die Rittführerin nach dem Links um jetzt hinten am Ende der Gruppe, aber die vorher ausgegebene Anweisung an einen Teilnehmer in der Mitte der Gruppe, die von einem Ende kommenden Kommandos ans andere Ende weiterzugeben und die verlangte Bestätigung von diesem Ende zurück an den Rittführer funktionierte tadellos. So bogen wir denn in den Feldweg ein, vorgeschriebene Handzeichen wurden einwandfrei angeordnet und gegeben. Kurz nach dem Einbiegen befahl der Rittführer „Halt“ und baute die komplette Gruppe wieder um, so dass die anfängliche, von ihm bestimmte Reihenfolge, wieder entstand. Da die Pferde zu diesem Zeitpunkt sehr ruhig liefen, fand ich den Umbau, sofern überhaupt notwendig, als zu früh, denn dadurch entstand jetzt erst Recht Unruhe in der Gruppe. Der Rittführer hätte alleine nach vorne gehen können und erst nach ein bis zwei Kilometer einen weiteren Umbau der Reihenfolge vornehmen können.
Als Prüfer konnte ich vor allem das korrekte Funktionieren der Gruppe registrieren. Als Mitreiter hätte ich es allerdings etwas nervig gefunden, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt, also etwa 2 ½ Stunden nach meiner Ankunft auf dem Hof vor lauter Anweisungen und konzentrierter Arbeit noch kaum Gelegenheit hatte das Gefühl eines Rittes von Freiheit und Abenteuer zu entwickeln. Kaum fasste man einen eigenen Gedanken, schon kam irgendein Kommando des Rittführers, auf dessen Ausführung man sich konzentrieren musste. Dabei sei es dahingestellt, ob diese Kommandodichte notwendig war, oder nicht. Es ist auch kein Fehler, nur der Ausdruck eines Gefühls, aber auch das Wohlgefühl der Mitreiter ist Aufgabe des Rittführers.
Die erste Strecke führte uns mehr und weniger steil bergab in das Lahntal nach Obernhof. Hier gibt es mehrere Stellen, die relativ steil bergab führen. Die Rittführerin erinnerte mehrfach daran auf die Abstände zwischen den Pferden zu achten. Sie hielt dann zweimal auf sehr steilen Stücken hinter einer Kurve an, um zu sehen ob alles OK sei. Leider versäumte sie dabei rechtzeitig wieder anzureiten, so dass die Reiter, die nicht um die Kurve herum sehen konnten, aufeinander aufliefen, da sie das Anhalten der Spitze zu spät bemerkt hatten.
10.30 Uhr
An einer schmalen Stelle des Weges, bevor dieser in den herrlichen Weinbergen von Obernhof mit Blick auf die Lahn aus dem Wald herauskommt, ließ ich eine Reiterin vom Pferd steigen und sich hinlegen mit der Behauptung ihr sei schlecht geworden. Die Rittführerin ließ die Mitreiter korrekt absteigen, parkte vorne ihr Pferd bei einem der Reiter und kam nach hinten um nach der Reiterin zu sehen. Diese war zwischenzeitlich auf Anweisung bewusstlos geworden. Korrekt wurde Sie vom Prüfling in die stabile Seitenlage gebracht und per Handy ein Notruf abgesetzt, der einen Arzt herbeiholen sollte. Sie beschrieb auf verständliche Art und Weise, wo wir uns befanden und das uns hier kein Auto erreichen könne. Sie avisierte der Notrufzentrale, dass sie eine Mitreiterin nach Obernhof an eine bestimmte Straße schicken werde, die den Sanitätern den Weg zu uns zeigen würde. Die Reaktion des Prüflings war korrekt, die Bewusstlosigkeit der Reiterin wurde aufgehoben und der Ritt fortgesetzt.
10.55 Uhr
Die Überquerung der Lahn über eine Straßenbrücke gelang gut. Die Reitergruppe kam an der Lahnstraße heraus und musste diese überqueren um die Brücke zu erreichen. Die Reiter wurden vor dem Übergang zu einem Verband zwei und zwei nebeneinander zusammengezogen und überquerte bei freier Fahrbahn zügig die Lahnstraße. Auf der Brücke wurde der Verband wieder aufgelöst, da eine Bahnunterführung folgte die sehr eng und unübersichtlich ist. Ein Verband mit sowieso schon unsicheren Pferden in dieser hallenden Unterführung mit der jederzeitigen Möglichkeit einer Zugüberfahrt und dem damit verbunden Krach, hätte hier eine Gefahr für den Gegenverkehr bedeutet. Die Entscheidung war daher korrekt, obwohl das Auseinanderziehen eines Verbandes auch immer Unruhe in die Gruppe bringt, da die Abstände dabei eigentlich zwangsläufig temporär stark zusammenschrumpfen.
Bezüglich der Orientierung nach Karte waren bei allen Prüflingen Unsicherheiten zu bemerken. Als Pluspunkt muss jedoch gesehen werden, dass hier erschwerte Bedingungen herrschten, weil der Geländerittführer lt. ARPO in bekanntem Gelände geprüft werden darf und dies war ja hier nicht der Fall.
Der Prüfling bemerkte noch, das ein junges Pferd, das noch nicht so lange unter dem Sattel ging, sich an seiner aktuellen Stelle in der Gruppe etwas aufregte und nahm es nach vorn an die Spitze, wo es sich sofort beruhigte.
Als Aufgabe gab es noch eine angeblich unsichere Mitreiterin, die aufgrund des Benehmens Ihres Pferdes ängstlich wurde. Sie war mit ihrem Pferd als Handpferd zu nehmen. Auch diese Aufgabe wurde einwandfrei.
Alle Straßenüberquerungen und die Führung an den Straßen entlang war einwandfrei.
13.00 Uhr
Wir langten an unserem Mittagspunkt an.
Wie es Weitergeht demnächst hier.