Mal abgesehen davon, daß Vergiftungen allgemein Leber und Niere stark belasten, eventuell schädigen – gibt es abgesehen von JKK und (Schimmel-) Pilzbefall des Futters noch andere wahrscheinliche Quellen, die wir leicht übersehen!
Tatsächlich werden die Wirkstoffe des JKK, sog. „ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide (PA)“ nicht nur in vielen Giftpflanzen gefunden, sondern auch in Futtergräsern, die mit pilzlichen Symbionten, also Endophyten, infiziert sind. Hierüber gibt die Masterthese von Kimberly Arthur aus dem Jahr 2002 detailliert Auskunft. Die These beschäftigt sich mit der Selektion von Haustierlinien, die resistent sind gegenüber Gräsergiften. Als geeignetes Auswahlkriterium dient ein Schlafmittel (Barbiturat), dessen Abbau die gleichen Entgiftungswege nutzt, wie das mengenmäßig in Futtergräsern überwiegende Ergotalkaloid (Mutterkorngift) „Ergovalin“. Ergovalin löst die sogenannte „Schwingelvergiftung“ aus, die von Schwingeln ebenso hervorgerufen werden kann wie von Weidelgräsern. Während in den USA vor allem Rohrschwingel als Futtergras angebaut wird und dort die Schwingelvergiftung auslöst, wird in Australien oftmals Deutsches Weidelgras angebaut und führt da ebenfalls zur Schwingelvergiftung.
Weidelgras - Bild: de.wikipedia.org - aus Deutschlands Flora in Abbildungen Johann Georg Sturm (1796) - Maler: Jacob Sturm
Zu den Symptomen der Schwingelvergiftung gehört z.B. Laminitis (Hufrehe) durch die Verengung der Gefäße. Neben Ergovalin kommen jedoch viele andere Gifte in infizierten Gräsern - speziell dem Deutschen Weidelgras, Rohrschwingel und Wiesenschwingel - vor, die Frau Arthur vorstellt. Da gibt es die gesättigten PA die als Loline bezeichnet werden, die nicht lebertoxisch sind, aber beim Pferd das „equine Schwingelödem“ auslösen, also starke Schwellungen vor allem im Bereich der Ohrspeicheldrüsen. Dieses Gift, auf das gezielt zur Insektenabschreckung gezüchtet wurde, müssen wir in Schwingeln wie Weidelgräsern gleichermaßen erwarten, wenn sie durch Witterung und Fraß gestreßt sind. Daneben kommen in sehr viel geringeren Mengen jedoch auch die ungesättigten PA in diesen Gräsern vor, die ebenfalls sowohl in infizierten Schwingel wie in Weidelgräsern erwartet werden müssen. Frau Arthur schreibt (Übersetzung: Vanselow):
„Obwohl PA in Rohrschwingel in geringeren Konzentrationen als die vorherigen Alkaloide (Anm. Vanselow: Ergotalkaloide, Loline) anwesend sind, mag ihre Anwesenheit ein mitwirkender Faktor bei den pathologischen Bedingungen in Verbindung mit Schwingelvergiftung sein. Die Aufnahme von PA über einen langen Zeitraum verursacht chronische Erkrankungen in Tieren. Anzeichen und Symptome schließen schlechtes Wachstum, kumulative Leberdegradation, Fruchtbarkeitsstörungen und allgemein ein langsames dahinsiechen ein (Bull et al., 1968). Es wird vermutet, dass PA möglicherweise teilweise verantwortlich sind für einige zur Verengung führende Aktivitäten an Gefäßen, die bei Schwingelvergiftung auftreten.
Pyrrolizidinalkaloide sind Lebergifte (Mattocks und Jukes, 1986), die die Leberfunktion schädigen durch die Reduktion der Fähigkeit der Leber Aminosäuren zu deaminieren und Harnstoff aus Ammonium zu synthetisieren. Der Leberspeicher für Kupfer wird in der Gegenwart von Pyrrolizidinalkaloiden gesteigert und die Zinkspeicher werden gesenkt, was den Stoffwechsel von Proteinen, Vitaminen und Mineralien beeinflußt. Auch der Spiegel des Vitamin A wird beeinflußt, was zu einer Reduktion in Retinol bindendem Eiweiß führt. Die Proteinsynthese ist gehemmt, weil PA sich mit DNS- Strängen überkreuz verbindet, was die DNS- Verdoppelung und die RNS- Synthese stört. “
Wir müssen also kein JKK verfüttern oder Honig naschen, um ein Problem mit Lebergiften zu bekommen. Es reichen Futtergräser, die mit ihrem Symbionten der Pilzgattung Neotyphodium infiziert sind. Genau wie beim JKK gilt: geringste Mengen reichen für eine Vergiftung auf Dauer aus, wenn sie sich über Jahre anreichern können. Die Gifte werden durch Trocknung (Heu, Silage) nicht zerstört.
Literatur:
Arthur, K.A. (2002): Pentobarbital sleep time in mouse lines selected for resistance and susceptibility to fescue toxicosis. - Master of Sience Thesis 2002, Virginia Polytechnic Inst and State University, Blacksburg, VA, USA, pp. 43. Online kostenfrei herunterladbar unter folgendem link:
http://scholar.lib.vt.edu/theses/available/etd-03312002-165716/unrestricted/Finalthesis1etd.pdf; 05.09.2012
Vanselow, R. (2011): Giftige Gräser auf Pferdeweiden. Endophyten und Fruktane – Risiken für die Tiergesundheit. – Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben, NBB Kompakt Bd. 1, 3. überarb. Aufl., 97 S.