Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg vom 14.04.2024 und seine ausführlichen Begründung bestätigt die Notwendigkeit von Herdenschutz-Maßnahmen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Entnahme von Wölfen möglich. Die Voraussetzungen wurden in der UMK 2023 definiert: in einer vorher definierten Region; auch ohne DNA-Nachweis; innerhalb von drei Wochen nach dem Riss und in einem Radius von einem Kilometer - Das OVG zählt zu diesen Voraussetzungen nun auch eine Alternativen Prüfung auch bei Pferden und Rindern. 

Siehe dazu Artikel "UMK folgt dem Vorschlag für Schnellabschüsse von Wölfen" vom 05.12.2023

Rinder und Pferde nicht weiter als Wolfködern opfern

Aktuell sind das Bundesnaturschutzgesetz und die FFH-Richtlinie die verbindlichen Rechtsnormen, nach denen der Schutz von Weidetieren und Wölfen in Deutschland und Europa geregelt sind. Als Fach- und Lobbyverband für die Equiden in Deutschland hat sich die VFD bei Ministerien und Behörden eine hohe Anerkennung erarbeitet. Dabei hilft auch, dass wir uns dem BuDel-Beschluss von 2020 folgend auf unsere Fachkompetenz der Equiden konzentrieren, uns dort konstruktiv einbringen und uns dem Wolf gegenüber neutral verhalten. 

Der VFD fehlt es an Fachexpertise zum Umgang mit dem Wolf und damit an den erforderlichen Kernkompetenzen. Dazu fehlen uns die Experten aus Wissenschaft und Forschung und damit die Möglichkeiten einer qualifizierten wissenschaftlichen Aufarbeitung. Jedes Handeln auf diesem Gebiet würde unsere derzeitige Anerkennung als Fachverband gefährden, die wir für den Schutz unserer Tiere einsetzen, genauso wie für ein liberales, bundeseinheitliches Betretungsrecht. Wie wichtig die Zusammenarbeit mit Naturschutz- und Nutzerverbänden ist, zeigt die Klage gegen die erteilte Abschussgenehmigung, denn sonst hätten sich schwerwiegende Nachteile und Risiken für Rinder und Pferde ergeben.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg korrigiert in seiner ausführlichen Begründung explizit seine bisherige Auffassung, dass Rinder und Pferde im Regelfall bereits ausreichend geschützt sind. Seit der niedersächsischen Wolfsverordnung von November 2020 galten Rinder und Pferde wegen ihrer „grundsätzlichen Wehrhaftigkeit“ als geschützt. Herdenschutzmaßnahmen wie elektrifizierte Zäune oder auch Schutzhunde seien nicht erforderlich. In vielen Bundesländern wird daher der Herdenschutz für Rinder und Pferde nur restriktiv bis gar nicht gefördert. 

Wie auch immer diese Einschätzung entstanden ist, es wird verkannt, dass die wenigsten Pferde in einer natürlichen Herdenstruktur leben, ja die meisten Haltungen Kleingruppen sind. Niedersachsen hielt sogareinen qualifizierten Herdenschutz für Rinder und Pferde als nicht erforderlich um eine Abschussgenehmigung zu erteilen.  Bereits im Ergebnis des Fachgremiums im September 2022 hatten wir festgestellt, dass diese Auffassung nicht EU-rechtskonform ist. 

Am 27.03.2024 erteilte der niedersächsische Umweltminister eine Ausnahmegenehmigung zu einer Wolfsentnahme, nachdem wiederholt Rinder (Kälber) im Raum  Hannover gerissen wurde. Die hierzu bewerteten Übergriffe fanden alle bei nicht durch einen wolfsabweisenden Zaun geschützten Rindern statt. Ein Herdenschutz als alternative Maßnahme zu einer Entnahme wurde gar nicht erst geprüft. Noch im Februar hatten wir den Minister im Gespräch auf das Erfordernis eines Herdenschutz als Voraussetzung für die Erteilung einer Entnahmegenehmigung hingewiesen  

Der fehlende Herdenschutz und eine Zahl von weiteren Punkten in der Ausnahmegenehmigung veranlassten Naturschutzverbände dazu, Rechtsmittel einzulegen. In seiner Entscheidung vom Freitag, den 05.04.2024, die Ausnahmegenehmigung außer Kraft zu setzen bis die Ausnahmegenehmigung im Hauptverfahren geprüft ist, hatte das Verwaltungsgericht schon auf erste Fehler hingewiesen. 

In seiner aktuellen Beschlussbegründung fordert das OVG nun konkret das Vorhandensein eines Herdenschutz auch bei Rindern und Pferden als „milderes Mittel zum Abschuss“ näher zu prüfen. Damit korrigiert das OVG ausdrücklich seine früheren Auslegungen, nach denen Rinder und Pferde im Regelfall ausreichend geschützt seien.

Aus unserer Sicht ist damit die Überarbeitung des Praxisleitfadens erforderlich, um die Rahmenbedingungen für eine rechtskonforme Schnellentnahme zu definieren, die dann nicht mehr auf dem Klageweg verzögert und oder verhindert werden kann.
Wölfe, die gelernt haben Herdenschutz zu überwinden und Weidetiere angreifen gehören entnommen.
Dazu hat die VFD schon 2023 Forderungen gestellt, damit der Schutz unserer Equiden ausreichend Berücksichtigung findet und dem Schutz des Wolfs in nichts nachsteht. 

In ihrem Beschluss vom 07.05.2024 hat die Umweltministerkonferenz (UMK) sich mit der Beschlussbegründung des OVG Lüneburg beschäftigt. Dazu lag der UMK auch unser Forderungspapier  für eine rechtskonforme Schnellabschussgenehmigung vor.
Im Ergebnis hat die UMK die Überarbeitung des Praxisleitfadens bis August 2024 beschlossen.

Somit ist das Risiko, dass Rinder und Equiden zu Ködern werden, um Entnahmegenehmigungen zu erteilen, gebannt. Die Bundesländer entscheiden über Art und Umfang der Fördervoraussetzungen Herdenschutz.

Gleichzeitig mit der Entscheidung der UMK zur Überarbeitung des Praxisleitfadens wurde wiederholt der Forderung nach einem (nicht rechtskonformen) Bestandsmanagement eine Absage erteilt. 

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