12. Oktober 2023: Bundesumweltministerin Steffi Lemke schlägt den Bundesländern neue Regelung zum erleichterten Abschuss von Wölfen in Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen vor: Die Ausnahmegenehmigung für den Abschuss kann von den Behörden erteilt werden, nachdem ein Wolf zumutbare Herdenschutzmaßnahmen in zuvor festgelegten Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen überwunden und Weidetiere gerissen hat.
Aus der Presseinformation: „Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen sind Gebiete, in denen Wölfe häufig Weidetiere reißen. Sie können von den Bundesländern nach regionalen Gegebenheiten einfach festgelegt werden. So ermöglicht der Vorschlag ein regional differenziertes Wolfsmanagement bei vermehrtem Auftreten von Übergriffen auf geschützte Tiere. Ein DNA-Nachweis vor der Abschussgenehmigung (der bisher nötig ist) soll dafür entfallen.“
Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Es gibt Vorschläge im öffentlichen Raum, die nicht europarechtskonform sind. Man muss zur Aufklärung in dieser Debatte vielleicht auch noch mal beitragen, dass ein guter Erhaltungszustand – eine Forderung, die häufig vorgetragen wird, ist ja, diesen festzustellen – eben nicht dazu führen würde, dass man dann anlasslos Wölfe abschießen kann.“
"Für den Herdenschutz ist das Landwirtschaftsministerium federführend zuständig. Wir haben hier auch eine gute Zusammenarbeit mit den Bundesländern. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass wir möglichst gemeinsame Regelungen diesbezüglich treffen und das Augenmerk auf den Herdenschutz definitiv bleibt."
Anlässlich der Pressekonferenz des Bundesumweltministeriums zum Umgang mit dem Wolf kommentiert die AG Herdenschutz:
„Die VFD ist für eine notwendige Tötung von Wölfen, nach geltender Rechtslage per Ausnahmegenehmigung, wenn diese gelernt haben, fachgerecht ausgeführte Herdenschutzmaßnahmen wiederholt zu überwinden. Die Länder müssen dafür die in den Richtlinien geforderten Voraussetzungen schaffen. Die vorgeschlagenen Vereinfachungen zum Einzelabschuss von Wölfen sind nur bedingt akzeptabel. Der Herdenschutz muss präzisiert werden. Weidetiere wie Rinder und Pferde dürfen nicht vom Herdschutz pauschal ausgeschlossen werden. Einzelabschüsse können punktuell/regional zu Entlastungen führen. Eine grundsätzliche Lösung ist es nicht. Bundesumweltministerin Lemke und Bundesminister Özdemir müssen den Herdenschutz verbessern, nur dadurch werden Nutztierrisse verringert."
Hintergrund: Die Koexistenz von Wölfen und Weidetierhaltung ist durch Herdenschutzmaßnahmen erreichbar. Wölfe, die trotz solcher Maßnahmen Nutztiere reißen, sollten aus der Natur entnommen, d.h. abgeschossen werden.
Bis zu 75 Prozent der Nutztierrisse finden seit Jahren an ungeschützten Weidetieren, vor allem an Schafen, statt. Große, ausgewachsene Rinder und Pferde sind durch ihre reine Körpergröße nicht so einfach zu erbeuten wie Schafe und Ziegen. Zudem sind sie im Vergleich zu diesen mitunter von Natur aus recht wehrhaft und reagieren teilweise aggressiv auf potentielle Bedrohungen. Allerdings gibt es deutliche individuelle und rassenbedingte Unterschiede. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich erwachsene Rinder und Pferde generell selbst vor Übergriffen schützen können und deshalb keines Herdenschutzes bedürfen.
In Deutschland steigen die Übergriffe auf Pferde im Verhältnis zu anderen Weidetieren signifikant an. Dabei unterscheidet sich die Stärke des Anstiegs zwischen den Bundesländern erheblich. Einzelne Bundesländer erreichen bei der gleichen Anzahl an Wolfsterritorien sehr unterschiedliche Zahlen. Dies kann darauf hindeuten, dass das Ausmaß der Schäden nicht allein durch die Anzahl der Wölfe bestimmt wird. Man vermutet, dass die Unterschiede bei den Zahlen der Übergriffe, vor allem in der unterschiedlichen Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen in den einzelnen Bundesländern begründet ist.
Präventionsmaßnahmen, das heißt, ein frühzeitiger Schutz, besonders von Ziegen und Schafen, ist im gesamten Vorkommensgebiet des Wolfes wichtig, um Übergriffe zu vermeiden. Damit kann auch verhindert werden, dass Wölfe lernen, besonders ungeschützte Nutztiere zu jagen. Dies betrifft auch größere Tiere wie Rinder und Pferde. Jedoch werden präventive Schutzmaßnahmen für Rinder und Pferde in den meisten Bundesländern erst nach Übergriffen durch Wölfe gefördert, und oftmals einschränkend für Equiden bis zu einem Jahr. Weiterlesen im Bericht zu "Prävention und Nutztierschäden 2022"
Die Hoffnung auf einen „Herdenschutz mit der Waffe“ kann nur scheitern, da sie die Biologie des Wolfs ignoriert. Pauschale Abschussquoten oder Obergrenzen lösen keine Probleme und verringern keine Konflikte, sondern sie verstetigen oder verstärken Probleme. Es gibt weltweit keinen Nachweis, dass die Zahl von Nutztierrissen durch die Bejagung auf der Basis festgesetzten Abschussquoten die Zahl der Nutztierrisse reduziert.
Aus unserer Sicht wird viel zu wenig berücksichtigt, dass "unproblematische" Wölfe erschießen das Problem eher vergrößern wird, denn "unproblematische" Wölfe besetzen Reviere und verteidigen diese gegen eindringende andere Wölfe. Schießt man sie ab, wird das Revier frei. Das Risiko, dass ein "Problemwolf" sich ansiedelt, steigt. Der Wolfnachwuchs lernt von seinen Eltern, was er fressen und jagen soll. Je mehr "unproblematische" Wölfe geschossen werden, desto weniger bringen dem Nachwuchs bei, Wild zu jagen und zu fressen.
Das im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion erstellte Rechtsgutachten von Prof. Brenner widerspricht nach Meinung vieler anderer Vereinigungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die von ihm propagierte Bestandsregulierung des Wolfs ist keine Lösung zur aktuellen Problematik steigender Übergriffe auf Nutztiere. Die VFD Arbeitsgruppe Herdenschutz hat sich ausführlich mit den Debatten um den Schutzstatus des Wolfes auf europäischer und nationaler Ebene befasst und die entsprechenden Dokumente durchgearbeitet. Sie kommt zu dem Ergebnis Herdenschutz ist unabdingbar. In diesem Artikel sind die genutzten Primärquellen verlinkt.
Einer der entscheidenden Gründe für die ansteigende Zahl der Übergriffe auf Nutztiere ist der in Deutschland weiter unzureichende Herdenschutz. Die Mehrzahl der Übergriffe erfolgt weiterhin an nicht oder unzureichend geschützten Nutztieren. Herdenschutz ist aber die Voraussetzung für Einzelabschüsse von Wölfen, die Nutztiere reißen.
Quellen:
Wie lassen sich Nutztierübergriffe durch Wölfe nachhaltig minimieren?
BMUV, Pressemitteilung, Steffi Lemke, 12.10.2023:
https://www.bmuv.de/pressemitteilung/schnellabschuesse-moeglich-machen-artenschutz-wahren
BMUV, Hintergrundpapier „Vorschläge zum Umgang mit dem Wolf“:
https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/artenschutz_wolf_vorschlaege_bf.pdf
Bundestag Plenarprotokoll 127. Sitzung vom 11.10.2023
Umweltministerin Lemke zum Umgang mit dem Wolf | BPK 12. Oktober 2023: